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Titanic – Das Musical

Blick durchs Bullauge

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Theater Hof
von
Peter Stone (Buch)
Maury Yeston (Musik und Gesangstexte)
Regie
Reinhardt Friese
Uraufführung
1997

Die „Titanic“ sticht wieder imposant in See

Über 110 Jahre nach ihrem Untergang lebt die Legende der Titanic noch immer, die bekanntlich auf ihrer Jungfernfahrt von Europa nach Amerika mit einem Eisberg kollidierte und unterging. Anders als der Film von James Cameron legt das 1997 uraufgeführte Musical von Maury Yeston und Peter Stone den Schwerpunkt weniger auf das Ereignis, sondern erzählt viel stärker von den Einzelschicksalen der Menschen. So kann sich der Zuschauer mit den Figuren identifizieren und Nähe aufbauen, was die Tragik des Ereignisses umso größer erscheinen lässt.

So imposant wie der Ozeanriese kommt das Werk am Theater Hof daher, gerade die großen Ensemble-Nummern wirken durch das etwa 40-köpfige Ensemble beeindruckend. Neben den hauseigenen Solisten und einigen Gästen übernehmen zahlreiche Mitglieder des Chors größere Rollen. Sie alle zu nennen ist kaum möglich, aber jede und jeder Einzelne leistet einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Produktion.

Fast wie ein Erzähler beginnt und schließt Andrea Matthias Pagani als Schiffskonstrukteur Thomas Andrews den Abend. Seine Verzweiflung am Ende ist glaubhaft, als er erkennt, dass lediglich ein kleiner Fehler von ihm letztlich zum Untergang des Schiffes geführt hat. Jonathan Agar verkörpert als E. J. Smith den erfahrenen Schiffskapitän und stellt diesen bis zum Ende würdevoll dar. Den Heizer Frederick Barrett spielt Jannik Harneit, die Rolle von Funker Harold Bride ist mit Dustin Smailes besetzt. Äußerst emotional gestalten sie beide die Nummer „Der Heiratsantrag/Die Nacht hallte wider“, als Barrett seiner Freundin zu Hause per Funk einen Heiratsantrag übermitteln lässt. Markus Gruber als Bruce Ismay lässt seine Figur nicht nur negativ erscheinen; auch wenn er als Schiffseigentümer immer wieder auf eine frühere Ankunft in New York drängt und damit seinen Teil zum Unglück beiträgt, macht er dennoch seine Motivation deutlich.

Als Passagiere der ersten Klasse sollen an dieser Stelle Stefanie Rhaue und Andreas Wobig als Ehepaar Strauss erwähnt werden – ihr Duett im zweiten Akt ist sicherlich einer der berührendsten Momente des Abends. Edgar und Alice Beane, untergebracht in der zweiten Klasse, werden von Andrii Chakov und Cornelia Löhr dargestellt, Peter Pozelt und Annett Tsoungui verkörpern Charles Clarke und Caroline Neville. Besonders dramatisch ergeht es den Passagieren der dritten Klasse (Annina Olivia Battaglia, Carolin Waltsgott, Julia Leinweber, Tamás Mester). Zuerst sehen wir deren Hoffnungen auf das Leben in Amerika, anschließend sind sie diejenigen, die es am schwersten haben, einen Platz auf den Rettungsbooten zu ergattern.

Regisseur Reinhardt Friese erzählt flüssig, er konzentriert sich ganz auf die Geschichte und ihre Charaktere. Dabei hilft ihm das Bühnenbild von Annette Mahlendorf: eine Wand, die aussieht wie ein Stück des Schiffs, mit einem großen Bullauge, das sich öffnen und schließen kann. Im Hintergrund unterstützen in einem weiteren Bullauge die Videos von Kristoffer Keudel mit Wellen und Meer die Szenerie. Die historischen Kostüme, ebenfalls von Annette Mahlendorf, sind eine Augenweide.

Schade nur, dass einige Striche vorgenommen wurden, so fehlen zum Beispiel „Beim Klang der Ragtime-Band“ oder „Herbstwind“ komplett. Kennt man allerdings nicht das Original, so fällt dies eher wenig ins Gewicht und trübt nicht den gelungenen Gesamteindruck. Unverständlich bleibt, warum Schiffssteward Henry Etches (Thilo Andersson) ganz am Ende bei den Überlebenden steht, obwohl er nach dem Ablassen aller Rettungsboote noch die zurückgebliebenen Passagiere an Bord mit Getränken versorgt hat.

Michael Falk lässt die Hofer Symphoniker satt aufspielen, der Klangkörper wirkt wie geschaffen für die Partitur von Maury Yeston. Alles in allem ein sehr sehens- und hörenswerter Abend.


Musikalische Leitung: Michael Falk • Ausstattung: Annette Mahlendorf • Video: Kristoffer Keudel Licht: Jürgen Burger • Choreinstudierung: Ruben Hawer • Mit: Jonathan Agar (Captain E. J. Smith), Michal Rudziński (William Murdoch), Hans-Peter Pollmer (Charles Lightoller), Tamás Mester (Herbert Pitman), Andrii Chakov (Joseph Boxhall), Jannik Harneit (Frederick Barrett), Dustin Smailes (Harold Bride), Andreas Bühring (Frederick Fleet), Peter Potzelt (Robert Hichens), Andrea Matthias Pagani (Thomas Andrews), Peter Potzelt (Joseph Bell), Markus Gruber (Bruce Ismay), Thilo Andersson (Henry Etches), Andreas Wobig (Isidor Strauss), Stefanie Rhaue (Ida Strauss), Carolin Waltsgott (Madeleine Astor), Hans-Peter Pollmer (John Jacob Astor), Daniel Milos (Benjamin Guggenheim), Annett Tsoungui (Mme. Léontine Aubert), Andrii Chakov (Edgar Beane), Cornelia Löhr (Alice Beane), Peter Potzelt (Charles Clarke), Annett Tsoungui (Caroline Neville), Annina Olivia Battaglia (Kate McGowan), Carolin Waltsgott (Kate Mullins), Julia Leinweber (Kate Murphy), Tamás Mester (Jim Farrell), Jonas Neumann (Carlson) u.a. • Opernchor des Theaters Hof • Hofer Symphoniker

Aufmacherfoto: H. Dietz Fotografie

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