4 Come From Away Liebig 28 | MUSICAL TODAY

Come From Away

Der Tag, an dem sich der Himmel verschloss

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Theater Regensburg
von
Irene Sankoff und David Hein (Buch, Musik und Gesangstexte)
Regie
Sebastian Ritschel
Uraufführung
2015

Grandiose deutschsprachige Erstaufführung von „Come From Away“

Ein Musical vor dem Hintergrund der schrecklichen Ereignisse von 9/11? Eigentlich undenkbar. Es ist ein kleines Wunder, was das Autorenpaar Irene Sankoff und David Hein mit ihrem Werk „Come From Away“ auf die Bühne gebracht haben. Auf Grundlage von Interviews, die sie zehn Jahre nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001 mit Einwohnern von Gander und den seinerzeit dort gestrandeten Passagieren und Besatzungsmitgliedern geführt haben, erzählen sie eine Geschichte voller Menschlichkeit und Hoffnung.
Nachdem aufgrund der Terroranschläge in New York und Washington erstmals in der Geschichte der US-amerikanische Luftraum vollständig gesperrt wird, landen innerhalb kürzester Zeit 38 Flugzeuge mit knapp 7.000 Menschen auf Gander, einem ehemals bedeutenden, nun aber in Vergessenheit geratenen Flughafen auf der kanadischen Insel Neufundland. Damit hat sich die dortige Bevölkerung mit einem Schlag nahezu verdoppelt – es beginnt eine einzigartige Abfolge nicht planbarer Geschehnisse, die die entschlossen anpackenden Einwohner von Gander mit bedingungsloser Gastfreundschaft meistern.

Mit der Qualität, die diese deutschsprachige Erstaufführung des Stücks auf die Bühne bringt, gelingt dem Theater Regensburg ebenfalls ein kleines Wunder. Dies gilt für die Besetzung des zwölfköpfigen Ensembles ebenso wie für die Inszenierung, bei der es sich nicht um einen Klon der Broadway-Produktion handelt, sondern die frei entwickelt werden konnte. Manche Szenen wirken sogar noch eindrücklicher als im Original, was nicht zuletzt auch der sehr sorgfältigen Übersetzung von Sabine Ruflair zu verdanken ist. Das Libretto mit all seinen Slang- und Dialektbegriffen hat sie mit eigenen, unverwechselbaren Lösungen griffig und vor allem sehr gut singbar ins Deutsche übertragen.

Während das New Yorker Bühnenbild mit Baumstämmen die Abgeschiedenheit Neufundlands andeutete, ist die Bühne in Regensburg von roten Stahlträgern eingefasst, die für die Konstruktion der eingestürzten Twin Towers stehen. Damit stellt Ausstatter Kristopher Kempf eine Verbindung zwischen dem Handlungsort und der Ursache für die Handlung her – eine sehr schöne Idee. Das Lichtdesign von Maximilian Rudolph schafft in dem Einheitsbühnenbild unentwegt neue Räume für den rasanten Handlungsfluss, sorgt für den Fokus auf die agierenden Figuren und unterstreicht heiter-ausgelassene Szenen genauso wie Momente düsterer Beklommenheit. Die von Celtic-Folk-Rock bestimmte Partitur, die den irischen Wurzeln der neufundländischen Bevölkerung Rechnung trägt, ist beim musikalischen Leiter Andreas Kowalewitz in den allerbesten Händen, er bringt sie mit Elan und treibenden Rhythmen zu Gehör.

„Come From Away“ ist als klassisches Ensemblestück konstruiert. Sämtliche Darstellerinnen und Darsteller übernehmen mehrere Rollen, teilweise von einer auf die andere Sekunde. Aufwendige Kostümwechsel sind daher nicht möglich; oft ist es nur ein einzelnes Bekleidungsstück oder eben der zu spielende Habitus, wodurch etwa aus einem Passagier der Bürgermeister von Gander wird. Umso wichtiger ist es, jede Figur in ihrem Spiel so präzise wie irgend möglich auszugestalten, um die Geschichte nachvollziehbar erzählen zu können.

In Regensburg hat Intendant Sebastian Ritschel selbst die Inszenierung übernommen und sie mit einem hervorragenden Ensemble überaus genau einstudiert. Benedikt Eder, Fabiana Locke, Patricia Hodell, Felix Rabas, Scarlett Pulwey, Wietske van Tongeren, Carin Filipčić, Jogi Kaiser, Andreas Bieber, Alejandro Nicolás Firlei Fernández, Lionel von Lawrence und Masengu Kanyinda spielen und singen allesamt fabelhaft und nehmen die Zuschauer auf eine bewegende und berührende Reise nach Gander mit. Die Show sieht keine Pause vor, schließlich ließen auch die damaligen Geschehnisse keine Zeit für eine Unterbrechung: Das Musical bricht mit voller Wucht über die Zuschauer herein und lässt sie nach atemberaubenden 110 Minuten zutiefst beeindruckt zurück.


Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz • Choreografie: Gabriel Pitoni • Ausstattung: Kristopher Kempf • Licht: Maximilian Rudolph • Mit: Benedikt Eder (Claude u.a.), Fabiana Locke (Bonnie u.a.), Patricia Hodell (Beulah u.a.), Felix Rabas (Oz u.a.), Scarlett Pulwey (Janice u.a.), Wietske van Tongeren (Beverley u.a.), Carin Filipčić (Diane u.a.), Jogi Kaiser (Nick u.a.), Andreas Bieber (Kevin T. u.a.), Alejandro Nicolás Firlei Fernández (Kevin J. u.a.), Lionel von Lawrence (Bob u.a.), Masengu Kanyinda (Hannah u.a.) u.a. • Band des Theaters Regensburg

Aufmacherfoto: Marie Liebig

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