Ein „musicalisches“ Sportstück über Licht und Schatten im Hochleistungssport
Sport ist Mord, heißt es häufig. Für andere ist Sport alles und ohne Sport alles nichts. In den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters ist derzeit „Der Lauf des Lebens“ zu sehen: In diesem Auftragswerk werden Licht- und Schattenseiten der Karrieren von elf Sportlerinnen und Sportlern verschiedener Disziplinen theatral aufgearbeitet. Textgrundlage des Stücks von Regisseur und Autor Marco Dott und Komponistin Katrin Schweiger sind Interviews mit Spitzensportlern, deren Inhalte einen schonungslos ehrlichen Einblick in den Leistungssport gewähren. Im Verlauf der Inszenierung wird deutlich, dass Theater und Sport mehr gemein haben als gedacht: Höchstleistung auf Abruf liefern, Performance, Konkurrenzkampf, Ehrgeiz und Grenzüberschreitungen.
Während der Sportler bestenfalls mit einer Medaille heimkehrt, freut sich der Theatermensch über prasselnden Schlussapplaus. Die Bühne, von Eva Musil zum Fitness- und Trainingsplatz mit jeweils zwei Sportkästen und begehbaren Spinden auf Leichtathletik-Laufbahn gestaltet, bietet passende Kulissen für die unterschiedlichsten Geschichten, die von den Protagonisten erzählt werden. Das Publikum wird Zeuge. Ihm offenbart sich aus nächster Nähe, was sonst im stillen Kämmerlein der Umkleidekabinen verborgen bleibt: Ups and Downs noch kindlicher und erwachsener Sportler – von Adrenalin gepuschten Höhenflügen bis zum emotionalen Schwitzkasten psychisch-physischer Ausbeutung samt Mobbing seitens Vereinen, Trainern und Sportkollegen.
Auf die Plätze, fertig, los geht es aus der Kindheit, dem alles entscheidenden Karrierestart, der zwar zunächst ganz individuell seinen Lauf nimmt, dann aber schnell dasselbe Ziel ansteuert: Es wird auf Sieg gesetzt – nur auf Sieg. „No hiding, no complaining, no escape rooms!“, drillt der erbarmungslose Trainer (Gregor Schulz). Man folgt seinen kraftvoll verbissenen Ansagen, die in Bewegungschoreografien zwischen Sportakrobatik und Zirkeltraining angesiedelt sind. Kate Watson hat sich richtig was einfallen lassen, sodass der Subtitel „‚Musicalisches‘ Sportstück“ voll ins Schwarze trifft. Leyla Bischoff, Larissa Enzi, Maximilian Paier, Gregor Schulz, Daniel Therrien, Patrizia Unger und Thomas Wegscheider machen die Theaterbühne zum Hochleistungszentrum. Da wird geschwitzt, sich nichts geschenkt, zwischen Sit-ups, Flickflack, Muskeldehnung und Mentaltraining alphabetisch rezitiert, worauf es in Training und Turnier ankommt: nämlich auf alles.
Der Leistungssport sei eine Lebensschule, aber eine der Härtesten, heißt es. Das wird mehr als deutlich. Höher, stärker, schneller – „Fleiß schlägt Talent“ erfährt das Publikum und staunt über das hervorragende Trainingsniveau der (Theater-)Sportler. Die einzelnen Stories und Schicksale berühren. Da gelingt es, unter teils schweißtreibenden Trainingseinheiten, bestens artikulierend und harmonisch singend (solistisch und chorisch), reichlich Text abzuliefern. In Gesangseinlagen und Katrin Schweigers variationsreichen Kompositionen wird auch klanglich spritzig-witzig verstoffwechselt, welche Hürden ein Sportler nehmen muss, damit er auf dem Siegerpodest ganz oben steht. Und wie schmerzhaft es ist, wenn am Ende alles umsonst war. Meniskus-Schaden hin, Supraspinatussehnen-Läsion her: Zu guter Letzt bekräftigen die leidenschaftlichen Sport-Fanatiker dennoch: „Es gibt nichts Besseres und ich würde alles noch einmal genauso machen.“
Ausstattung: Eva Musil • Choreografie: Kate Watson • Mit: Leyla Bischoff, Larissa Enzi, Maximilian Paier, Gregor Schulz, Daniel Therrien, Patrizia Unger, Thomas Wegscheider
Aufmacherfoto: SLT/Christian Krautzberger