„Xanadu“ in der Eisarena
Ganz ehrlich: Die Götter müssen dieser Tage wirklich verrückt sein, vor allem der fürs Wetter. Während dieser draußen sein nasses Unwesen treibt, das schöne Salzburg durch Dauerregenfluten hinwegzuschwemmen droht, bringt in der Eisarena ein energiegeladenes Ensemble alles buchstäblich ins Rollen. So fühlt sich ein sichtlich amüsiertes Publikum in die Zeit der flippigen 80er Jahre gespült – musikalisch, im entsprechenden Disco-Soundtrack, aber auch rein optisch mit dem Set- und Videodesign von Tobias Witzgall sowie Kostümen von Simon Barth. Statt einer Eisfläche gibt es einen festen Untergrund: eine Rollschuhlaufbahn, auf der sich zwei Stunden ein göttliches Musical-Vergnügen mit antiken Bezügen abspielt. Das Salzburger Landestheater verortet das Musical „Xanadu“ in der New Yorker Rollschuhdisco „DiscOasis“ und erschließt sich damit einen ungewöhnlichen Theaterraum.
Wer es, durch die auf Rollschuhen kreuz und quer flitzenden Kids hindurch, auf die Sitzränge geschafft hat, wird erst einmal von der Arena aus zu kurzen (Sitz-)Tanzeinsätzen gecoacht. Das sportive Ensemble hat es mächtig drauf, weiß, wie man mitreißt. Bevor das eigentliche Musical losgeht, lernt (fast) jeder Zuschauer, dass man die Buchstaben von X-A-N-A-D-U tanzen kann. Das ist besonders deshalb kurios, weil nicht nur die vielen Mitwirkenden in Kostümen des kalifornischen Stils der 80er Jahre stecken, sondern offenbar auch einige Gäste beim Durchforsten ihres (Alt-)Kleiderfundus fündig wurden und im passenden Gewand erscheinen. Das Rollschuh-Spektakel unter der Regie von Intendant Carl Philip von Maldeghem fängt vielversprechend an. Die leider eher mäßige Tonqualität, zu der die Musicaldarstellerinnen und -darsteller die populären Hits singen, ist bald verziehen. Nach etwas schleppendem Anfang fühlt man sich bald in die bekannte, unbestritten schräge und aus dem gleichnamigen Film von 1980 bekannte Story hineingezogen. Es wird gekichert und gelacht, die ersten witzigen Szenen lassen Außenwelt und Wettergott vergessen.
Patrizia Unger als griechische Muse Clio und Thomas Wegscheider als Straßenmaler Sonny Malone machen sich gut in (und auf) ihren Spezialschuhen, bringen die Musical-Romanze auf Trab. Sonny sprayt neun Musen an die Wand: Clio und ihre Schwestern entsteigen (besser entrollen) dem Kunstwerk und werden lebendig. Sonnys angekratztem Künstlerego tut Clio mehr als gut. „I glab an Di. A, wenn i die Oanzige bin!“: Als bayerisch sprechende Kira getarnt, verwirrt die Muse ihm ordentlich die Sinne, weckt Sehnsüchte und erfüllt Wünsche. Dass sie sich dabei in einen „Sterblichen“ verliebt, war nicht der Plan. Deshalb droht ihr „ewige Verbannung“ aus Vater Zeus’ Olymp. Längst hegt das Paar eigene Träume, will aus einer alten Sporthalle eine Rollschuhdisco machen. Bis aber der Sehnsuchtsort Xanadu wirklich Gestalt annimmt und das Publikum seine Lettern wild mittanzen kann, muss so manche Widrigkeit ausgeräumt werden – eine davon ist der knallharte Immobilienhai Danny Maguire, verkörpert von Axel Meinhardt. Gut, dass Musen küssen können und dass ihr Kuss so manches Wunder wirken kann. Noch besser, dass die Ohrwürmer des Electric Light Orchestras, wie „I’m Alive“, „Suddenly“, „Magic“, „All Over The World“ und natürlich „Xanadu“, so lockerleicht in jene Zeit zurückbeamen, von der so mancher sagt, dass damals alles besser war.
Der Kultfilm mit Olivia Newton-John, Michael Beck und Gene Kelly floppte zwar 1980, aber der Soundtrack holte weltweit gleich sieben Mal Platin. Die geschmeidige Produktion, die in Kooperation mit der Stadt Salzburg und dem EC Red Bull Salzburg auf die Rollschuhbahn kommt, wird mit reichlich Applaus bedacht. Die Choreografien von Daniel Therrien (Rollschuhe), Kate Watson und Josef Vesely (Tanz) sowie Rollschuhcoach Lara Roth schmeicheln der kultigen Musik, von Wolfgang Götz am Pult stilsicher betreut. Auch der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor kann stimmlich voll überzeugen, wenn er auch leider auf der Zuschauertribüne gegenüber schlecht zu sehen, dafür aber umso besser zu hören ist.
Musikalische Leitung: Wolfgang Götz • Szenische Mitarbeit: Lara Roth • Choreografie Rollschuhe: Lara Roth und Daniel Therrien • Choreografie Tanz: Kate Watson und Josef Vesely • Set- und Videodesign: Tobias Witzgall • Kostüme: Simon Barth • Mit: Patrizia Unger (Clio/Kira/Kitty), Thomas Wegscheider (Sonny Malone), Axel Meinhardt (Danny Maguire), Larissa Enzi (Melpomene), Minori Therrien (Kalliope), Alea Hagedorn (Terpsicore), Elisabeth Mackner (Erato), Tina Eberhardt (Euterpe), Daniel Therrien (Thalia), Diego da Cunha (Urania), Annika Schmidhuber (Polyhymnia) u.a. • Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor • XANADU Dance Crew
Aufmacherfoto: Christian Krautzberger