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Einstein – A Matter of Time

Der Mann hinter dem Genie

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Konzert und Theater St.Gallen
von
Frank Wildhorn (Musik)
Gil Mehmert (Buch)
Frank Ramond und Gil Mehmert (Gesangstexte)
Regie
Gil Mehmert
Uraufführung
2025

Die Uraufführung von „Einstein – A Matter of Time“ bewegt sich auf internationalem Niveau

Das Trio Wildhorn, Mehmert und Schoots hat mit „Einstein – A Matter of Time“ ein kleines Meisterwerk geschaffen. Das Musical beleuchtet die vielschichtige Persönlichkeit Albert Einsteins und nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise durch sein bewegtes Leben. Das Stück beginnt 1933, als der Physiker Europa verlässt. In eindrücklichen Rückblenden erlebt man seine Geschichte: rebellische Studienjahre in Zürich, wissenschaftliche Durchbrüche in Bern, turbulente Zeiten in Prag und Berlin, die Flucht vor dem Nationalsozialismus in die USA. Zwischen Genialität, gesellschaftlichem Wandel und privaten Konflikten entsteht das Porträt eines faszinierenden Menschen.

Gil Mehmerts Inszenierung besticht durch erzählerischen Minimalismus. Sie ist modern, einzigartig und hat einen bemerkenswerten Flow. Das Tempo ist atemberaubend, der Blick der Zuschauenden wird meisterhaft geführt und die Handlung bleibt immer glasklar. Das Bühnenbild von Christopher Barreca setzt auf raffinierte Schlichtheit: Schwarz-Weiß dominiert, während Licht und Kostüme Farbe ins Spiel bringen. Große Monitore, die an alte Wandtafeln erinnern, erschaffen flexible Schauplätze und lassen Gleichungen und Geistesblitze aufleben. Die Darstellenden interagieren mit den Videos von Austin Switser – Einsteins Zeichnungen scheinen sich zu verselbstständigen, eine virtuelle Jalousie wird geöffnet und schließt sich wieder, das Ticken der virtuellen Uhr geht in die Musik über. Spezialeffekte werden dosiert, aber wirkungsvoll eingesetzt.

Die wenigen Requisiten sind schlicht und funktional, ergänzt durch ausgewählte Schaustücke. Diese künstlerische Klarheit unterstützt die rasante Erzählweise: Szenenwechsel vollziehen sich fließend und unmerklich. Einsteins Geige ist dabei der rote Faden, der sich durch seine gesamte Lebensgeschichte zieht.

Frank Wildhorns Musik unterstreicht die Dynamik der Inszenierung. Sie klingt mitreißend und eingängig, wie man es von ihm gewohnt ist. Die Lieder sind wie kleine Zeitkapseln: Der Erzählfluss wird angehalten und das Publikum kann tief in die Handlung eintauchen. Die Klangwucht des Sinfonieorchesters St.Gallen unter der Leitung von Dirigent Koen Schoots ist ein Bonus und – nebenbei bemerkt – wohl einer der Gründe, warum Wildhorn St. Gallen schon mehrfach mit Uraufführungen seiner Stücke beehrt hat.

Auch die Besetzung ist hervorragend gewählt und einer Uraufführung würdig: David Jakobs als Einstein überzeugt mit eindringlicher Bühnenpräsenz, starker Gesangstechnik, toller Stimmfarbe und charismatischem Spiel. An seiner Seite brilliert Katia Bischoff als seine erste Frau Mileva Marić, ihre facettenreiche Interpretation verdeutlicht die Höhen und Tiefen dieser Beziehung. Jan-Philipp Rekeszus gibt als Prof. Lenard einen fesselnden Antagonisten mit wunderschönem Timbre, während Elise Doorn als Chemikerin Clara Haber stimmlich ebenfalls für Gänsehaut sorgt. Besonders beeindruckend ist auch der fast schon gerappte Song von Livio Cecini als Prof. Weber, Physiker und einer von Einsteins Lehrern.

Die Choreografie von Melissa King setzt nicht auf klassische Tanznummern, sondern wird nahtlos in die Erzählweise integriert. Besonders eindrucksvoll: Die Szene, in der Postboten den Briefwechsel zwischen Einstein und Mileva mit tänzerischer Leichtigkeit mimen – die Schriftstücke schweben förmlich durch den Raum. Eindrücklich auch die Slow-Motion-Choreografie der Soldaten, die den Krieg noch bedrohlicher wirken lässt. Im Kontrast dazu steht die fast ätherisch anmutende Primaballerina mit leuchtendem Tutu, die immer wieder das Licht verkörpert, das Einstein so sehr beschäftigt. Die geschmackvollen Kostüme von Claudio Pohle schließlich verdeutlichen eindrücklich den Lauf der Jahrzehnte.

Das Resultat ist ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk, das Broadway-Feeling in die Schweiz bringt. Wildhorns Musik, Mehmerts raffinierte Inszenierung und ein exzellentes Ensemble machen „Einstein – A Matter of Time“ zu einem tollen Theatererlebnis. Ein Besuch in St. Gallen lohnt sich: So etwas bekommt man in der Regel nur in London oder New York geboten!


Musikalische Leitung: Koen Schoots • Choreografie: Melissa King • Bühne: Christopher Barreca • Kostüme: Claudio Pohle • Video: Austin Switser • Licht: Michael Grundner • Ton: Marko Siegmeier und Nicolai Gütter-Graf • Mit: David Jakobs (Albert Einstein), Katia Bischoff (Mileva Marić), Livio Cecini (Prof. Weber/Max Planck), Anna-Julia Rogers (Pauline Einstein/Marie Curie), Marlon Wehmeier (Marcel Grossmann/Eddington), Jan-Philipp Rekeszus (Prof. Philip Lenard), Barbara Obermeier (Elsa Löwenthal), Elise Doorn (Clara Haber), André Bauer (Milos Marić/Besso/Fritz Haber), Merlin Fargel (Maurice Solovine), Philipp Dietrich (Conrad Habicht), Kelly Panier (Das Licht) u.a. • Sinfonieorchester St.Gallen

Aufmacherfoto: Donato Caspari

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