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2025 04 08 OHP follies BP 963 | MUSICAL TODAY

Follies

Exotische Shownummern und viel Lokalkolorit

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oRT
Volksoper Wien
von
Stephen Sondheim (Musik und Gesangstexte)
James Goldman (Buch)
Regie
Martin G. Berger
UraufführunG
1971

Österreich-Premiere von Sondheims Beziehungsdrama „Follies“

Die Volksoper Wien wagt sich an eines von Stephen Sondheims Meisterwerken: „Follies“, das 1971 weitere Musicalgiganten wie Regisseur Harold Prince und Choreograf Michael Bennett vereinte und bis heute als eine der meistdiskutierten Shows des Genres gilt. Für Diskussionen unter den Sondheim-Fans würde diese Produktion wohl einiges hergeben.

Wien, 2055: Die Volksoper wird abgerissen, muss einem Parkhaus Platz machen. Der ehemalige Direktor Dmitri Weisman lädt seine Darsteller und Tänzer von vor 30 Jahren noch einmal zu einem letzten Treffen ein. Neben einigen einstigen Special Acts und Nebendarstellern finden sich auch zwei Ehepaare ein, die bereits früher miteinander abhingen: Einerseits Phyllis und Ben, die sich mittlerweile nur mehr in größter Abneigung zugetan sind, und andererseits Buddy mit Sally, die den Erfolgsmenschen Ben immer noch anhimmelt, während Buddy am Geistesverfall seiner geliebten Frau immer mehr verzweifelt.

Statt den 70er und 30er Jahren wie im Original gibt es also einen Zeitensprung um knapp 50 Jahre, dazu noch einen neuen Handlungsort mit unzähligen Anspielungen auf das Österreich von heute. Durch diese Verschiebung besteht überhaupt kein Bezug mehr zu den „Ziegfeld Follies“, die als Anregung für die Sondheim-Hommagen an Cole Porter, Kurt Weill, Jerome Kern oder Harold Arlen dienten.  Auch rätselhaft: Warum haben österreichische bzw. deutsche Charaktere durchwegs amerikanische Namen?

Aber „Follies“ war immer eine Show, in der Zeit und Raum nur lose Elemente darstellten, schließlich werden die Hauptfiguren auch immer mit ihrem 30 Jahre jüngeren Ich konfrontiert. Dazu kommen geisterhafte Showgirls, die oft aus dem Nichts über die Bühne schweben. Regisseur Martin G. Berger (auch für die Übersetzung zuständig, die Songs wurden eingedeutscht) wollte offenbar durch die Änderungen noch einen draufsetzen, wobei das Buch von James Goldman über die Jahre ohnehin immer wieder abgeändert wurde. Die Basis in Wien dürfte die Londoner Fassung von 1987 sein, der Songkatalog ist aber bis auf das fehlende „Bolero d’Amour“ der aus New York.

Vor allem am Show-Ende kommen die Nummern der vier Protagonisten ungewöhnlich daher, was darin gipfelt, dass Drew Sarich als Ben bei seiner „Leben, Lachen, Lieben“-Nummer in einem Astronautenanzug Münchhausen-mäßig vom Dach abgeseilt wird! Nur eine von vielen verwegenen Ideen, die Berger, Alexander Djurkov Hotter (Kostüme) und Sarah-Katharina Karl (Bühne) mit unzähligen Video-Einspielungen (Vincent Stefan) zu einer nicht alltäglichen „Follies“-Inszenierung nutzen.

Die Besetzung? Vom Feinsten! Drew Sarich (diesmal mit Toupet) ist ein passend gefühlskalter Ben, Bettina Mönch (als wohl erste Phyllis auch oben ohne zu sehen) explodiert vor allem im zweiten Akt, als sie die Fehler ihrer Jugend vor Augen geführt bekommt. Peter Lesiak gibt seinen Buddy rollengerecht zwischen amikal und verzweifelt. Ruth Brauer-Kvam, die sich zu Beginn aus unerfindlichen Gründen als „Sarah“ bezeichnet, muss damit leben, dass ihre Kostüme scheußlich ausgefallen sind – Sally mag geistig verwirrt sein, aber nicht unbedingt unattraktiv.

Das Ensemble könnte das jüngste der „Follies“-Geschichte sein, sodass einige Rollen beim Zurückrechnen über 30 Jahre wohl als Kinderdarsteller auf der Bühne standen. Bestes Beispiel dafür: Julia Koci gibt als Hattie ihr „Broadway Baby“ nicht wie gewohnt als Seniorin, sondern als immer noch jugendliche Vierzigerin. Aber auch hier könnte eben Zeit nur ein fließendes Etwas darstellen. Zu Recht mit großem Applaus bedacht: „Bin noch hier“ von Sona MacDonald als Carlotta und Stefanie Dietrichs „Wer ist die denn?“ als Stella.

Überflüssig zu sagen: Das riesige Orchester von Michael Papadopoulos wird den Sondheim-Melodien in der Orchestrierung von Jonathan Tunick mehr als nur gerecht, Broadway-Besucher wären einen so prall gefüllten Orchestergraben gar nicht mehr gewohnt. Die Show selbst mit ihren vielen exotischen Ideen würde in den USA die Sondheim-Gemeinde wohl ziemlich spalten, während es als Österreich-Premiere keine Vergleichswerte gibt.


Musikalische Leitung: Michael Papadopoulos • Choreografie: Marie-Christin Zeisset • Bühne: Sarah-Katharina Karl • Kostüme: Alexander Djurkov Hotter • Licht: Alex Brok • Video: Vincent Stefan • Sounddesign: Martin Lukesch • Mit: Ruth Brauer-Kvam (Sally Durant Plummer), Bettina Mönch (Phyllis Rogers Stone), Peter Lesiak (Buddy Plummer), Drew Sarich (Benjamin Stone), Juliette Khalil (Junge Sally), Laura Magdalena Goblirsch (Junge Phyllis), Samuel Türksoy (Junger Buddy), Oliver Liebl (Junger Ben), Sona MacDonald (Carlotta Campion), Stefanie Dietrich (Stella Deems), Julia Koci (Hattie Walker), Martina Dorak (Solange La Fitte), Marie Christin Zeisset (Emily Whitman), Robin Poell (Theodore Whitman), Ulrike Steinsky (Heidi Schiller), Alexandra Flood (Junge Heidi), David Wurawa (Dimitri Weisman), Aaron-Casey Gould (Roscoe), Kevin (Paul Csitkovics), Melanie Böhm (Junge Carlotta), Samantha Mayer (Junge Stella), Angelika Ratej (Junge Hattie), Eva Zamostny (Junge Solange), Tara Randell (Junge Emily) u.a. • Orchester der Volksoper Wien

Aufmacherfoto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien

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