2662 fackjugoethe 30 | MUSICAL TODAY

Fack ju Göhte

Mittelmäßiges Musical – Großartiges Ensemble

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Staatstheater Wiesbaden (Junges Staatsmusical)
von
Kevin Schroeder (Buch)
Nicolas Rebscher (Musik)
Simon Triebel (Liedtexte)
Regie
Iris Limbarth
UraufführunG
2018

Fack ju Göhte“ als Musical am Staatstheater Wiesbaden

Eigentlich fährt man stets mit gutem Gefühl zu den Produktionen des Jungen Staatsmusicals JUST nach Wiesbaden. Das von Regisseurin und Choreographin Iris Limbarth seit 2000 geleitete Ensemble wartet jedes Mal mit einer Spielfreude auf, die in Staunen versetzt. Denn alle Beteiligten sind keine Profis, üben zum Teil im wahren Leben bürgerliche Berufe aus oder tasten sich als Schüler, beziehungsweise Studierende an eine eventuelle Bühnenkarriere heran. Für diese einmalige Nachwuchsförderung wurde Iris Limbarth 2022 mit dem Deutschen Musical Theaterpreis ausgezeichnet.

Vielleicht hat dieser gute Ruf die Rechte-Inhaber von „Fack ju Göhte“ bewogen, dass 2018 im Münchener Werk 7 uraufgeführte, dann 2023 von der Frankfurter Showslot-Company auf eine Tournee geschickte Musical, erstmals einer städtischen Bühne anzuvertrauen. Die hohen Erwartungen an das auf dem gleichnamigen Kino-Kassenschlager von 2013 mit über sieben Millionen Besuchern basierende Stück erfüllten sich bis dahin nicht. Insgeheim hatte man wohl gehofft, dass „Fack ju Göhte“ der „Starlight Express“ für ein jugendliches Publikum werden könnte.

Aber dazu wäre mehr nötig, als nur den ständig unter die Gürtellinie zielenden Ton dieser derben Pennäler-Komödie zu reproduzieren. Inflationär wirft Kevin Schröders Libretto mit Verben wie „ficken“ und „blasen“ um sich und auch Nicolas Rebschers Kompositionen sowie Simon Triebels Liedtexte verwöhnen kaum die Ohren. „Fack ju Göhte“ erweist sich insofern nicht als Gewinn für die deutsche Musicallandschaft, betont eher mittelmäßige Qualität. Fairerweise muss man dem Stück zugutehalten, dass die Songs selbst ohne überragendes Niveau den Figuren etwas mehr Tiefe verleihen, als die oberflächlichen Film-Figuren ausstrahlen.

Damit gerät die ausufernde Spielfreude des Ensembles in den Fokus. Sie überspielt weitgehend die Mankos, veredelt mit schönen Stimmen die Songs, von Iris Limbarths fetzigen Choreografien adäquat in Szene gesetzt. Und so begleiten wir den Kleinkriminellen Zeki Müller (souverän von Tim Speckhardt dargestellt) bei seinem Versuch, die vor seinem Knastaufenthalt verbuddelte Beute auszugraben. Blöd nur, dass über dem Versteck mittlerweile eine Schul-Sporthalle steht. Also bewirbt er sich auf die freie Hausmeisterstelle des Gymnasiums, um unauffällig seinen Schatz zu bergen. Doch durch ein Missverständnis stellt ihn die überforderte Rektorin Gerster (herrlich verpeilt und Klebstoff schnüffelnd: Katharina Hoffmann) als Aushilfslehrer ein, teilt ihn der Problemklasse 10b zu.

Wider Erwarten erkennt Zeki seine Berufung inklusive Zuneigung zu seiner von Minderwertigkeitsgefühlen geplagten Kollegin Lisi Schnabelstedt (wunderbar derangiert: Viktoria Reese). Das zentrale Darsteller-Kleeblatt komplettiert Angelika Kraus als Prostituierte und Zekis Ex-Freundin Charlie, die mit aufreizender Körpersprache und Kuschelkissen-Penissen für komische Momente sorgt. Um sie herum werfen sich mit Empathie und Bühnenpräzens Anastasia Bechthold (Laura), Jahn Volpert (als Testosteron gesteuerter Rüpel Danger), Lilli Trosien (als agile Zeynep) und Leonie Willms (als Chantal mit naiv-dümmlichem Charme samt Kultsatz „Heul leise“) in die Herzen der Zuschauer. Dort finden ebenso die übrigen acht Ensemblemitglieder (teilweise in mehreren Rollen) mit authentischem Spiel ihren Platz. Stilsicher und auf die Charaktere zugeschnitten fallen die Kostüme von Heike Korn aus. Mit kleinen, phantasievollen Umbauten schafft das Bühnenbild von Britta Lammers stimmige Atmosphäre. Im Hintergrund bereitet Frank Bangert mit seiner fünfköpfigen Live-Band den musikalischen Rahmen von Hip-Hop und Rap über Pop-Balladen bis hin zu typischen Musicalmelodien. Iris Limbarts straffe Inszenierung und geschickte Darstellerführung gewinnt dem an sich belanglosen Musical doch noch einige Reize ab.


Musikalische Leitung: Frank Bangert · Regie/Choreografie: Iris Limbarth · Bühnenbild: Britta Lammers · Kostüme: Heike Korn · Licht: Claus Weyrauther · mit: Tim Speckhardt (Zeki Müller), Viktoria Reese (Lisi Schnabelstedt), Katharina Hoffmann (Frau Gerster), Anastasia Bechthold (Laura Schnabelstedt), Angelina Krauß (Charlie), Jahn Volpert (Danger), Lilli Trosien (Zeynep), Leonie Willms (Chantal), u. a. · Band des JUST

Aufmacherfoto: Peter Emig

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