014 Ensemble Priscilla SLT Tobias Witzgall LT2 3418 | MUSICAL TODAY

Priscilla – Queen of the Desert

„Hot Stuff“ für Love, Peace and Respect

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oRT
Salzburger Landestheater
von
Jukebox-Musical
Stephan Elliott und Allan Scott (Buch)
Regie
Ramesh Nair
Uraufführung
2006

„Priscilla“ bringt das Salzachwasser zum Brodeln

Respekt! Inmitten der staaden Zeit, während in der Mozartstadt vorweihnachtlich die Lichterketten entlang der Salzach funkeln, liefert das Salzburger Landestheater ein glamouröses theatrales Roadmovie, das gefühlt die frisch restaurierten, vergoldeten Stuckarbeiten mit Glitzer überzieht. Das rasante Jukebox-Musical „Priscilla – Queen of the Desert“ von Stephan Elliott und Allan Scott, 2006 in Sydney uraufgeführt, basiert auf dem gleichnamigen Film von 1994. Die bewegende Story zweier Dragqueens und einer Transfrau, die im Bus namens Priscilla quer durch das australische Outback unterwegs sind, genießt längst Kultstatus.

Ramesh Nair, der damit sein Regiedebüt am Haus feiert, gelingt ein genialer Coup. Nachdem sich der riesige Lametta-Vorhang (Bühne: Michael Lindner) gelüftet hat, hagelt es wie aus einer Konfettikanone knallbunte und schrill-schräge Überraschungsmomente. Besser könnte das dem Werk zugrundeliegende Plädoyer für Respekt vor der Individualität eines jeden Menschen kaum gefeiert werden, kaum wirkungsvoller ein kräftiges Zeichen für Diversität gesetzt und zugleich das aufgezeigt werden, wofür (oder wogegen) die queere Community bis dato kämpft.

Was für die ältere Generation ein genussvolles Wiederhören der 80er-Dancefloor-Hits (Musikalische Leitung: Wolfgang Götz und Manuel Lauerer) mit entsprechend heißen Tanzchoreografien (ebenfalls Nair) ist, dürfte in den Jüngeren, die diese Zeit nur aus Erzählungen kennen, vermutlich Neid entflammen: Zu „It’s Raining Men“ werden drei singende Diven vom Bühnenhimmel in das wilde Tanzensemble in Regencapes abgeseilt – was für ein Energielevel! Und was für eine paradiesvogelartige Kostüm- und Ausstattungsparty (Adam Nee), die da vom ersten Moment die Pupillen des Publikums weitstellt. In einer schrägen Beerdigungszeremonie zu „Don’t Leave Me This Way“ muss Bernadette (Marco Dott) ihren Geliebten gehen lassen. Statt in Trauer zu versinken, auf zu neuen Ufern: Die Comeback-Show mit Transfrau Mitzi (Oliver Arno) und der dauerprovozierenden Dragqueen Felicia (Leon de Graaf) mit „Baywatch“-Body kommt gerade recht. Wobei schnell klar wird, dass mit dem abgelegenen Ort Alice Springs, wo man eine Dragshow plant, nicht für jede(n) derselbe Weg auch dasselbe Ziel bedeutet.

Der Song „Go West“ als Kickstart zum Roadtrip, bei dem leider manch Koala oder Känguru unter die Räder kommt, zündet Begeisterungsstürme mit Dauerlachern. Bevor die drei auf der Bühne im Outback ihre „True Colors“, also ihre „wahren Farben“ ohne Angst vor Ablehnung zeigen dürfen, müssen sie von einer Bus-Panne in der Wüste über (welt)fremde Planeten einer (Discokugel-)Mondlandschaft so manche Hürde nehmen. Dazu hilft u.a. „Hot Stuff“, aber vor allem „Love, Peace and Respect“. Denn die Aussage „Girls Just Want to Have Fun“ stimmt ja so doch nicht – Spaß haben in dieser Premiere nicht nur Mädels, sondern einfach alle Menschen.  

Das Genre Musical wird bekanntlich als „leichte Kost“ gehandelt. Wie wunderbar, wenn mit leichter Kost ernstzunehmende sozialkritische Themen behandelt werden und sie somit auf Zehenspitzen ins Bewusstsein der Gesellschaft hineinschleichen. Es ist herzzerreißend, wie Bernadette erst mutig den wildernden Männer-Mob sprengt, um dann ganz mütterlich zart Dragqueen Felicia, die nur knapp einer Vergewaltigung entkam, in den Arm zu nehmen. Ganz großes Musiktheater! Fantastisch auch, wie der Zusammenhalt der „Wahlfamilie“ aus zwei Dragqueens und einer Transfrau herausgearbeitet ist. Ein „Mehr“ für (einander) als ein „Wider“ (die andern) mag so manchen vom Weg Abgekommenen zurück in die Bahn des Menschlichen bringen.


Musikalische Leitung: Wolfgang Götz (Dirigent) und Manuel Lauerer (Piano) • Regie und Choreografie: Ramesh Nair • Bühne: Michael Lindner • Kostüme: Adam Nee • Video: Michael Lindner, Roman Hagenbrock und Surjo Naskar • Mit: Oliver Arno (Tick (Mitzi)), Leon de Graaf (Adam (Felicia)), Marco Dott (Bernadette), Aloysia Astari (Cynthia), Magnus Jahr (Miss Understanding/Tina Turner/Frank/Country Boy), Achim Himmelbauer (Young Bernadette), Monika Ballwein (Diva 1), Alea Hagedorn (Diva 2), Larissa Enzi (Diva 3), Marina Petkov (Marion/Shirley), Axel Meinhardt (Bob) u.a. • Chor und Ballettensemble des Salzburger Landestheaters • Priscilla-Band

Aufmacherfoto: SLT/Tobias Witzgall

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