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FLUSH – Ein Club-Musical

Enthüllungen auf dem Klo

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SchwuZ – Queer Club Berlin
von
Robin Kulisch (Konzept, Idee und Buch)
Mikael Johansson (Musik)
Felix Heller und Robin Kulisch (Gesangstexte)
Regie
Marco Krämer-Eis
Uraufführung
2025

„FLUSH – Ein Club-Musical“ als schrille Revue

Toiletten sind eher selten Hauptschauplatz eines Musicals. Im konkreten Fall aber doch. Die Sanitäranlage gehört zu einem Gayclub: multifunktionaler Begegnungsort für Männer, die hier keineswegs nur ihre Notdurft erledigen. Es geht dabei mächtig zur Sache, sehr direkt und bevorzugt mit Vokabeln, die den erotischen Kosmos dieser Community ohne Umschweife ausformulieren. „FLUSH – Ein Club-Musical“ lautet der vielsagende Titel der im Berliner SchwuZ uraufgeführten Produktion aus der Feder von Robin Kulisch (Buch, Liedtexte im Gespann mit Felix Heller) und Mikael Johansson (Musik). Auf der Bühne steht ein fulminantes Trio, das in gleich 18 Rollen schlüpft. Am Ende der Premiere regnet es Ovationen.

Regisseur Marco Krämer-Eis greift zu einem endlos praktizierten Effekt, der fast immer funktioniert, auch in „FLUSH“. Es setzt auf Tempo und die berühmte „(Klo-)Tür auf, (Klo-)Tür zu“-Dramaturgie. Die Personen geben sich dabei buchstäblich die Klinke in die Hand, stürzen von manch unfreiwilliger Peinlichkeit in den nächsten komischen Moment oder offenbaren seelische Abgründe, die das Publikum förmlich mitleiden lassen. Einer kotzt sich aus, der andere öffnet vulgär seine knappe Hose, um dem erhofften Sex freien Lauf zu lassen. Irgendwie kommen in dem WC alle denkbaren Enthüllungen aus Begierden und Gefühlen knackig auf den Punkt. Die Autoren bedienen jedoch erfreulicherweise weder einen schnell abgedroschenen Voyeurismus, noch liefern sie der Szene knusprige Bonmots in den Rachen.

Robin Kulisch schaut mit geballter Selbstironie und kritischer Selbstreflexion auf schwules Leben, nutzt zwar weidlich Klischees, aber spart heikle Themen nicht aus. Jugendwahn und Körperkult werden angesprochen, die permanente Angst vor dem Älterwerden und verwelkender Schönheit. Daraus schnitzt er Figuren, die das gesamte Spektrum ausloten, Robert und Stefan zum Beispiel. Einige finden, die nächsten verlieren sich im Strudel der Sehnsüchte, Unsicherheiten, aufgeblasenen Posen, Eitelkeiten und herausfordernden Gesten. Mittendrin wischt Club-Chefin Ramona die Nasszelle oder kommt als knuffiger Hausmeister daher. Jurassica Parka, eine Berliner Lokalgröße, spielt die Rollen mit schnodderiger Schnauze und Wehmut, denn wie ihre Bar hat sie bessere Zeiten hinter sich. Felix Heller und Robin Cadet übernehmen den Rest der 16 Akteure, wandeln sich im Sausewind vom verklemmten Gast zum lasziven Lustknaben, vom Joint-schniefenden Besucher zur überdrehten Tunte. Kein Stereotyp wird ausgespart, beide Akteure wirbeln verwegen durch die winzigen Episoden.

Mikael Johansson fängt mit seiner von Konserve eingespielten Komposition den rasanten Flash in „FLUSH“ perfekt ein. Techno und Elektrobeat heizen die Stimmung auf dem Klo auf den Siedepunkt der Emotionen und gelegentlich darf es mal eine Ballade sein. „Aus Dir und mir wird ein Wir“, der „Girls“-Song, „Lass uns zusammen gehen“ oder „Spiegel“ drängen ganz nach vorn. Auf der kleinen Bühne schubst Marco Krämer-Eis das Ensemble durch eine Nummernrevue, ohne den roten Faden einer ausgeklügelten Handlung. Robin Rohrmann garniert das Ganze mit einer zum Teil sexistisch polierten Choreografie und die Ausstattung von Daniel Unger weist den drei Akteuren neben Lack und Leder auch Knallbuntes zu.

„FLUSH“ hat das Zeug zum Kultmusical. Ein paar Pointen noch zugespitzt und ein wenig gekürzt, dann liegt in dem Stück reichlich Potenzial. Selten sind queere Themen so witzig und klug, ironisch und umfassend angepeilt worden, ohne Scheu vor Kitsch und Sentiment. Die hochprofessionelle Besetzung nimmt das Stück ernst und trotzdem auf die leichte Schulter, sie erweist sich als kompetenter Anwalt des Kreativteams. Gemeinsam dürfen sich alle Beteiligten ein ziemlich opulentes Lorbeerblatt anstecken.  


Musikalische Leitung: Mikael Johansson • Choreografie: Robin Rohrmann • Ausstattung: Daniel Unger • Mit: Robin Cadet (Robin u.a.), Felix Heller (Paul u.a.), Jurassica Parka (Ramona u.a.)

Aufmacherfoto: Marco Sommer

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