
Zeichentrickheldin Betty Boop erwacht zu neuem Leben
Die Idee, ein Musical über eine Zeichentrickfigur zu schreiben, mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen – die Darstellerin oder der Darsteller, die diese Figur auf der Bühne verkörpert, passt vielleicht gar nicht zu dem Bild, das man so lange davon hatte. Man muss aber zugeben, dass diese aufregende Interpretation des Filmstars Betty Boop aus den 1930er Jahren eine glänzende Ausnahme ist, vor allem dank Jasmine Amy Rogers, die in der Titelrolle ihr Broadway-Debüt gibt. Und falls jemand Zweifel hatte, worum es geht, gibt der jazzig verkürzte Titel bereits einen Hinweis darauf, was das Publikum erwarten könnte: Er heißt nicht „Betty Boop“, sondern „Boop!“ (mit Ausrufezeichen).
Mit kurzem Rock, Strumpfband und lockigem Bob war Betty Boop in den USA der 1930er Jahre eine Vorreiterin des weiblichen Sexappeals. Sie an den Broadway zu bringen, dürfte kein leichtes Unterfangen gewesen sein. Zum einen scheint es schwierig zu sein, eine echte Handlung zu entwerfen, wenn die Heldin viele Jahre lang hauptsächlich in kurzen Schwarz-Weiß-Filmen zu sehen war. Aber Buchautor Bob Martin holt die Zeichentrickfigur aus ihrem vertrauten, schwarz-weißen Toon Town heraus und bringt sie in ein Milieu, das realistischer ist als die Welt, in der sie bisher gelebt hat. Das Ergebnis ist eine bezaubernde, farbenfrohe Show, die sich als echte Bereicherung für die Broadway-Saison entpuppt und das Publikum einfach ebenso unterhalten soll wie damals die Fleischer-Filme.
Dank eines von ihrem Großvater Grampy entworfenen Teletransporters landet Betty in New York. Dort trifft sie auf Menschen, die sich von den diversen Figuren aus ihren Filmen deutlich unterscheiden und deren eigenes Leben sie ihrerseits erheblich verändert: das junge Mädchen Trisha, seit ihrer Kindheit ein Fan von Betty, ihr Bruder Dwayne, ein Jazzmusiker und Trompeter, sowie Carol Evans, beider Mutter und Assistentin des Politikers Raymond Demarest, der Bürgermeister der Stadt werden will. Er heuert Betty nicht nur an, um seine Kampagne anzukurbeln, sondern versucht auch, sie gegen ihren Willen zu verführen. Deshalb tritt Carol schließlich gegen ihren Chef an und gewinnt die Wahl. Dwayne verliebt sich in Betty und folgt ihr, als sie nach Toon Town zurückzukehrt. Durch einen Kuss von ihm fängt der Ort plötzlich an, in vielen Farben zu erstrahlen …
Die Geschichte klingt ziemlich einfach, wurde aber mit vielen fröhlichen Musiknummern für die gesamte Besetzung, mit großartigen Soli und Duos aufgepeppt, die durchweg das Geschehen beleben.
Als Betty hat Jasmine Amy Rogers exakt die Eigenschaften, die funkelnde Stimme, die komischen Reaktionen und lebhaften Comic-Gesten übernommen, die die Figur so einzigartig machen. Sie ist großartig und bringt eine lebenssprühende Persönlichkeit auf die Bühne, die dem Musical einen ganz eigenen Ton, einen eigenen Reiz verleiht. Aufregend ist auch die 17-jährige Newcomerin Angelica Hale als Trisha: Sie verblüffte das Publikum bereits in der Fernsehshow „America’s Got Talent“ und sticht hier bei ihrem Broadway-Debüt deutlich heraus.
Mit ihrer ganz eigenen Persönlichkeit und Präsenz trägt Anastacia McCleskey, die zuletzt in „Suffs“ zu sehen war, als Mutter Carol zu dieser schillernden Besetzung bei; ebenso Ainsley Melham als Dwayne, Stephen DeRosa als Grampy und Faith Prince als seine vor 40 Jahren verlorene Liebste Valentina. Die übrigen Darsteller, ein wunderbares Ensemble von Tänzern und Sängern, verleihen der Show unter der rasanten Regie und Choreografie von Jerry Mitchell den nötigen Schwung und die Lebendigkeit.
Die Songs mit Texten von Susan Birkenhead und Musik von David Foster sind größtenteils eingängig und wurden fest in der Handlung verankert, wobei einige wie „In Color“, „I Speak Jazz“, „Portrait of Betty“ und „Why Look Around the Corner“ ganz besonders aufhorchen lassen. Die farbenfrohen Bühnenbilder von David Rockwell, die strahlend helle Beleuchtung von Philip S. Rosenberg und die großartigen Kostüme von Gregg Barnes verleihen „Boop!“ die liebenswerte Tönung eines altmodischen Musicals. Ein sensationeller, absolut unterhaltsamer Abend!
(Übersetzung: Angela Reinhardt)Music Supervision: Daryl Waters • Musikalische Leitung: Rick Fox • Regie und Choreografie: Jerry Mitchell • Bühne: David Rockwell • Kostüme: Gregg Barnes • Licht: Philip S. Rosenberg • Sounddesign: Gareth Owen • Projektionen: Finn Ross • Zaubertricks: Skylar Fox • Marionetten-Design: The Huber Marionettes • Mit: Jasmine Amy Rogers (Betty Boop), Faith Prince (Valentina), Ainsley Melham (Dwayne), Erich Bergen (Raymond), Stephen DeRosa (Grampy), Anastacia McCleskey (Carol), Angelica Hale (Trisha), Phillip Huber (Pudgy), Aubie Merrylees (Oscar) u.a.
Aufmacherfoto: Matthew Murphy and Evan Zimmerman