Michael Cerveris and the cast photo by Matthew Murphy | MUSICAL TODAY

Elton John’s Tammy Faye

Hochstaplerinnen-Flop

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Broadway (Palace Theatre)
von
Elton John (Musik)
James Graham (Buch)
Jake Shears (Gesangstexte)
Regie
Rupert Goold
Uraufführung
2022

Die Geschichte der Fernsehpredigerin Tammy Faye beschert Elton John einen Misserfolg

Wie bedauerlich, dass so viel Zeit und Energie (von Talent und Geld ganz zu schweigen) für dieses lahme Musical über eine Person verschwendet wurde, die von vornherein alles andere als rühmenswert war. Tammy Faye, eine Pseudo-Fernsehpredigerin, und ihr Ehemann Jim Bakker waren eine Zeit lang Gastgeber der prätentiösen „PTL Club“-Fernsehshow auf Ted Turners TNT-Network (die Abkürzung steht für „Praise the Lord“). Dort ging es um die sogenannte Erlösung der Sünden durch Gott, falsche Gebete und erfundene Fehltritte; dabei wurden viele Prominente wie Ronald Reagan oder der Sexmagazin-Herausgeber Larry Flint begrüßt.

Mit einem Buch von James Graham, Songs von Elton John und Gesangstexten von Jake Shears hatte das Musical bereits 2022 in London Premiere, unter der Regie von Rupert Goold und choreografiert von Lynne Page. Es lief dort einige Wochen im Almeida Theatre und Titeldarstellerin Katie Brayben gewann einen Olivier Award für ihre Leistung. Obwohl sie auch in New York in der Hauptrolle zu sehen ist – zusammen mit den zwei absolut zuverlässigen Schauspielern Christian Borle (Jim Bakker) und Michael Cerveris (als Jerry Falwell, ein weiterer Fernsehprediger und konservativer Aktivist) – fehlt es an einem vernünftigen Grund, das Stück am Broadway zu zeigen.

Tammy Faye wurde mit ihrer exzentrischen Art, mit ihrem viel zu starken Make-up und falschen Tränen in den Augen in den 1970er und 80er Jahren zu einer Fernsehpersönlichkeit; sie war eine überlebensgroße Figur mit Millionen von Anhängern, darunter viele schwule Männer, die sie auch in ihrer Sendung feierte. Aber das rechtfertigt doch nicht, sie in eine Broadway-Ikone zu verwandeln. Das Musical folgt ihrem Aufstieg zum Erfolg, als sie und ihr Ehemann – auch er ein Möchtegern-Prediger – Massen von Fernsehzuschauern anzogen, die mit ihren wöchentlichen Spenden zum Vermögen des Ehepaares beitrugen. Jim Bakker verließ seine Frau, nachdem er der Vergewaltigung einer seiner Bewunderinnen beschuldigt worden war.

Am Ende verfolgten Regierungsbeamte Bakker und Faye, weil sie Millionen von Dollars aus den Spenden zu ihrem eigenen Vorteil verwendeten, weil sie mit Geld um sich warfen, etwa indem sie einen christlichen Themenpark bauten, ohne je Steuern zu zahlen, weil dieses Geld ja Gott gehöre. Als beide verurteilt wurden, kam Bakker ins Gefängnis, ihre Fernsehsendung wurde abgesetzt und Tammy war allein und pleite. Später heiratete sie einen Bauunternehmer und starb 2007 an Krebs. In einer unsinnigen Coda zu dieser Geschichte findet sich Tammy im Fegefeuer wieder, wo sie von der Stimme Gottes willkommen geheißen wird: eine unsinnige Art und Weise, das Musical zu beenden, als ob eine zusätzliche Szene noch notwendig gewesen wäre.

Katie Brayben, die in der Titelrolle ihr Broadway-Debüt gibt und mit ihrem bemerkenswerten Gesangsstil manchmal an Dolly Parton erinnert, ist großartig in der Rolle; mehrere Solos bringen ihr Gesangstalent zur Geltung. Christian Borle, der vor allem durch seine Rollen in Shows wie „Something Rotten!“ und „Some Like It Hot“ in Erinnerung bleibt, ist in der Handlung kaum zu sehen. Ähnlich verliert sich Michael Cerveris in dieser Produktion, auch er eine Broadway-Ikone und ein Tony-Gewinner, dessen Auftritte in „Assassins“ und „The Who’s Tommy“ noch gut im Gedächtnis sind.

Die Songs von Elton John klingen mit ihren Texten von Jake Shears größtenteils laut und uninspiriert. Seine früheren Werke wie „König der Löwen“ oder „Aida“ hatten ihn zu einem vielgefeierten Nonkonformisten der Musicalbühne gemacht. Das ist hier kaum der Fall, denn viele Nummern klingen einfach uninteressant. Auch andere Teile der Inszenierung – Lynne Pages steife Choreografie, Bunny Christies fade Bühnenbilder oder Rupert Goolds zu sanfte Regie – tragen nur wenig zur Wirkung dieses Stücks bei.

Die Verkommenheit einer Hochstaplerin zu feiern, scheint kaum ein Grund für ein so schlechtes Broadway-Musical zu sein. Aber wenn man ehrlich ist: Tammy Faye hat es nicht besser verdient.

(Übersetzung: Angela Reinhardt)

Musical Supervision: Tom Deering • Musikalische Leitung: Chris Fenwick • Choreografie: Lynne Page • Bühne: Bunny Christie • Kostüme: Katrina Lindsay • Licht: Neil Austin • Videodesign: Finn Ross • Sounddesign: Nick Lidster/Autograph • Mit: Katie Brayben (Tammy Faye Bakker), Christian Borle (Jim Bakker), Michael Cerveris (Jerry Falwell), Nick Bailey (Paul Crouch), Charl Brown (Steve Pieters), Mark Evans (Billy Graham), Allison Guinn (Jan Crouch), Ian Lassiter (Jimmy Swaggart/Ronald Reagan/Archbishop), Raymond J. Lee (John Fletcher), Max Gordon Moore (Thomas S. Monson/Proctologist/Marvin Gorman), Alana  Pollard (Jessica Hahn), Andy Taylor (Pat Robertson/Ted Turner) u.a.

Aufmacherfoto: Matthew Murphy

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