„The Great Gatsby“ als prachtvolles Musikdrama
Obwohl es als „neues Musical“ angekündigt wurde, ist „The Great Gatsby“ in Wirklichkeit ein Musikdrama, und zwar ein beeindruckendes. Es basiert auf dem 1925 erschienenen Roman von F. Scott Fitzgerald, einem der populärsten Bücher der amerikanischen Literatur, und spielt im New York des Jahres 1922 – in einer Zeit, die von einem neuen Freiheitsgefühl und sich verändernden gesellschaftlichen Normen geprägt war.
Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die Geschichte des Millionärs Gatsby, die uns von Nick berichtet wird. Ihm hat Gatsby die Aufgabe übertragen, Daisy zu finden: die einzige Frau, die er je geliebt hat. Daraus entsteht eine Erzählung, in deren Mittelpunkt drei Paare stehen. Nick findet Daisy, eine entfernte Cousine von ihm, die inzwischen mit Tom verheiratet ist. Tom hat sich aber auch mit Myrtle eingelassen, der Frau des Automechanikers George – sie ist von Tom schwanger. Und Nick lernt Jordan kennen, eine langjährige Freundin von Daisy, die seine Partnerin wird.
Als Daisy herausfindet, dass Gatsby sein Vermögen mit dem Schmuggeln alkoholischer Getränke gemacht hat, beschließt sie, ihn zu verlassen. Während er sie nach Hause bringt, überfährt das Auto versehentlich Myrtle, die dabei stirbt. Später erzählt Gatsby Tom, dass in Wirklichkeit Daisy das Auto gefahren hat, dass er aber die Verantwortung für den Unfall übernehme. Tom berichtet George, was passiert ist, und als er ihm sagt, dass Gatsby gefahren ist, nimmt George an, dass Gatsby auch der Vater von Myrtles Kind war. Er geht zu Gatsbys Haus und tötet erst ihn, dann sich selbst. Das Erste, was an dieser Inszenierung beeindruckt, ist die prachtvolle Ausstattung, die einen funkelnden Hintergrund bietet: von den Kostümen von Linda Cho über die erstaunlichen Kulissen und Projektionen von Paul Tate dePoo III bis hin zur strahlenden Beleuchtung von Cory Pattak, die das Ganze noch überhöht und verstärkt.
Das Buch hat die Dramatikerin Kait Kerrigan geschrieben. Sie gibt damit ihr Broadway-Debüt, hält sich eng an die Originalgeschichte und verleiht ihr eine bestechende Anziehungskraft. Die Songs dagegen mit ihrer Musik von Jason Howland und den Texten von Nathan Tysen passen nicht immer unbedingt zur optischen Strahlkraft der Aufführung. Als Mischung aus einem theatralischen Stil und gelegentlichen Jazz-Akzenten hätten sie wohl davon profitiert, letztere stärker zu nutzen, um genau die damalige Epoche mit ihrem Entstehen des Jazz-Age hervorzuheben. Der beste Moment in der Partitur scheint der Song „Shady“ zu sein, der den zweiten Akt mit einer rauen Energie eröffnet. Andere interessante Nummern, und einige klingen auch angemessen romantisch, sind Daisys „For Better or Worse“, Gatsbys Solo „Past Is Catching Up to Me“ und Myrtles „One Way Road“. Sie gehen größtenteils sehr angenehm ins Ohr, manche aber würden mit mehr Pep das Publikum sicher besser verführen.
Ein weiterer großer Pluspunkt dieser Produktion ist die makellose Besetzung – in der Titelrolle etwa ist Jeremy Jordan schlicht superb. Sein Stimmumfang übertrifft den vieler Broadway-Darsteller, und in seinen Solos kann er dieses Gesangstalent bestens unter Beweis stellen. Ebenso verführerisch und eindrucksvoll zeigt Eva Noblezada als Daisy ihr Können in Momenten wie „My Green Light“, einem Duett mit Jordan, und dem Solo „Beautiful Little Fool“. Als Nick ergänzt Noah J. Ricketts die beiden Stars perfekt, ebenso Sara Chase als Myrtle, deren Song „One Way Road“ ein echter Showstopper ist. Sowohl Paul Whitty als George wie auch John Zdrojeski als Tom glänzen in ihren ganz individuellen Momenten, ersterer in „God Sees Everything“, letzterer in „Made to Last“. Dominique Kelleys ausgefeilte Choreografie trägt viel zur Qualität des Stücks bei, vor allem in der großartigen Steppnummer „La Dee Dah with You“, die an die Nicholas Brothers erinnert. Marc Bruni steuert das explosive Musical klug durch den Abend und liefert eine wohlgerundete Regie für diese Produktion, die hoffentlich viele Jahre laufen wird.
(Übersetzung: Angela Reinhardt)
Musikalische Leitung: Daniel Edmonds • Choreografie: Dominique Kelley und Cedric Dodd • Bühne und Projektionen: Paul Tate dePoo III • Kostüme: Linda Cho • Licht: Cory Pattak • Sounddesign: Brian Ronan • Mit: Jeremy Jordan (Jay Gatsby), Eva Noblezada (Daisy Buchanan), Noah J. Ricketts (Nick Carraway), Samantha Pauly (Jordan Baker), Sara Chase (Myrtle Wilson), John Zdrojeski (Tom Buchanan), Paul Whitty (George Wilson), Eric Anderson (Meyer Wolfsheim) u.a.
Aufmacherfoto: Matthew Murphy & Evan Zimmerman