
Braucht man „Cats“ noch? Uneingeschränkt Ja!
Als „Cats“ 1981 in London Premiere feierte, dürften nicht allzu viele Menschen geglaubt haben, dass die Show nach fast 45 Jahren mit über 73 Millionen Besucherinnen und Besuchern zu den erfolgreichsten Musicals der Welt gehören würde. Und auch heute wird gelegentlich immer noch wenig respektvoll über das Stück gesprochen. Doch die Wahrheit ist: Wenn die Show auf dem Spielplan steht, kommt das Publikum und beschert den Theatern volle Häuser. Allein für Düsseldorf wurden im Vorfeld über 50.000 Tickets verkauft.
„Cats“ ist wie ein guter alter Vertrauter, den man gerne immer mal wieder besucht. Man weiß, was man bekommt, und ist doch gleichzeitig überrascht – mal über einen besonders guten Darsteller oder darüber, wie präzise diese anspruchsvollen Choreografien von Gillian Lynne vom Ensemble getanzt werden. Und so ist es auch bei der Premiere im Capitol Theater Düsseldorf. Was das internationale Ensemble da auf die Bühne bringt, sieht einfach gut aus und zeugt von vielen Proben, in denen auf äußerste Korrektheit geachtet wurde. Diese Körperspannung, das katzenhafte Agieren, das unmittelbare Erkennen der so unterschiedlichen Charaktere überzeugt auf ganzer Linie. Dazu die wunderbaren Up-Tempo-Nummern, die so vertraut sind – und immer wieder die Überraschung, wo sich überall Katzen befinden, sowohl auf der Bühne als auch im Saal.
Das bekannte Bühnenbild, die Müllhalde, passt immer noch bestens, auch wenn die Bühne des Capitols dadurch fast ein wenig eng wirkt. Optisch ist also alles wunderbar, und auch der Sound im Theater überzeugt. Liveband und Ensemble sind gut aufeinander abgestimmt, der Ton ist satt, aber nicht zu laut. Nun denn, manchmal hätte man sich vielleicht weniger Synthesizer und mehr echte Instrumente gewünscht, doch hat auch dieser 80er-Jahre-Klang seinen Charme.
Das junge Ensemble ist auch gesanglich gut aufeinander abgestimmt, gerade die Chorstellen klingen wunderbar. Es war übrigens eine kluge Entscheidung, die Show im englischen Original aufzuführen, um mangelhafter Textverständlichkeit aus dem Weg zu gehen. Rechts und links der Bühne werden auf kleinen LED-Wänden mit Hilfe weniger Textzitate die Charaktere während der Songs beschrieben.
Bei den Solisten sorgt Nathan Taylor für den berührendsten Moment des Abends. Er ist Asparagus, der alte Theaterkater, der die jungen Katzen beklagt, die sich nicht mehr genug Mühe beim Proben geben. Und als ob er es allen zeigen wollte: Für ein paar Minuten hält das geschäftige Treiben auf der Bühne an und es wird ruhig. Gerne hört das Publikum den warmen, samtigen Tönen des Baritons zu und sitzt wohlig im Sessel. Sicherlich, wenn Grizabella „Memories“ singt – was Lucy May Barker schön, wenn auch etwas verhalten vorträgt –, ist das der eigentliche Höhepunkt der Show; doch gibt es viele kleine Perlen, wie den Mr. Mistoffelees von Samuel Bateson oder die schöne Zug-Szene mit Skimbleshanks alias Gavin Eden. Zudem ist es eine wahre Freude, Marcus May und Lauren Bronwyn-Wood als Mungojerrie und Rumpelteazer zuzusehen. Ihre Zweier-Choreografie hat auch nach all den Jahren nichts von ihrer Kraft verloren.
Die Produktionsfirma ATG hat also alles richtig gemacht, die Show wieder auf Tournee zu schicken. Das Publikum springt in der besuchten Vorstellung beim letzten Ton direkt auf und spendet langanhaltenden Applaus. Viele lächelnde Gesichter im Foyer zeigen, dass es diese Show nach wie vor braucht.
Musikalische Leitung: Lewis Bell • Choreografie: Gillian Lynn • Ausstattung: John Napier • Licht: David Napier und Howard Eaton • Sounddesign: Greg Pink • Mit: Lucy May Barker (Grizabella), Michael Robert-Lowe (Old Deuteronomy), Nathan Taylor (Bustopher Jones/Asparagus/Rumpus Cat), Liam Dean (Munkustrap), Shem Omari James (Rum Tum Tugger), Samuel Bateson (Quaxo/Mr. Mistoffelees), Gavin Eden (Skimbleshanks), Hazel Baldwin (Jennyanydots/Gumbie Cat), Olivia Barnett-Legh (Bombalurina), Alice Oberg (Demeter), Marcus May (Mungojerrie), Lauren Bronwyn Wood (Rumpelteazer), Daisy Boyles (Jellylorum), Isabel Moore (Victoria/White Cat), Gabrielle Parker (Jemima), Emily Layden-Fritz (Cassandra), Jessie-Jae Davis (Tantomile), Ben Walsh (Carbucketty), Bailey Johnson (Coricopat), Marco Venturini (Macavity/Admetus), Daniel Timoney (Alonzo), Theo Reece (Bill Bailey)
Aufmacherfoto: Xiadong