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8862 | MUSICAL TODAY

Katharina

Woke Kritik unnötig

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Venue
Theater Hof
by
Peter Dehler (Musik, Buch und Liedtexte)
Direction
Jasmin Sarah Zamani und weitere
World premiere
2001

Gewitzte Shakespeare-Verballhornung als Alternative zu „Kiss Me, Kate“

Wie kommt das Security-Trio Anne, Jochen und Klaus auf einer x-beliebigen Tourneebühne zur leicht holperigen, aber für Laien brillanten Textkenntnis von William Shakespeares Komödienklassiker „Der Widerspenstigen Zähmung“? Das ist die einzige logische Lücke in Peter Dehlers Comedy-Adaption aus dem Jahr 2001. Damals kam die im Zuge woker Hinterfragung noch umstrittenere Paarbildung der selbstbewussten Katharina und des zweifelhafte Methoden ergreifenden Petruchio unter Dehlers Schauspieldirektion in Schwerin heraus.

Eine Reprise erfolgte 2017 in Dresden unter dem Titel „Der Widerspenstigen Zähmung 2.0“. In diesem knappen Vierteljahrhundert hat sich der Blick auf Shakespeares Geschlechterkampfstück radikal gewandelt. Manipulation, Essens- und Schlafentzug, Gehirnwäsche an der zuerst die Ehe ablehnenden Katharina werden heute auf breiter Front als frauenfeindlich wahrgenommen. Wenn Dehler die Auseinandersetzung zwischen Katharina aus Padua und Petruchio als Improvisation am Rande des Zusammenbruchs spielen lässt, greift das schon durch die Besetzung an den Kern des Stücks, bevor dieses sein toxisches Gift entfalten könnte. Denn hier muss jede Security-Person Männer- und Frauenfiguren spielen, weil es sonst nicht weitergeht.

Die Premiere als Sommertheater findet nicht wie geplant im Werkstatthof vor der gläsernen Hauptfront, sondern wegen Regen- und Kälterisikos im Studio des Theaters Hof statt. Der Einlass-Check kommt einen Tick rüder, als man das sonst beim Theater kennt. Dann die Schreckensbotschaft: Das reisende Ensemble steckt im Bus 40 Minuten vor dem Ziel fest und kommt überhaupt nicht mehr an. Für ein gut ausgehandeltes Honorar springt die Security ein: „The Show Must Go On“. Auf Teppichen stehen Kostümständer für alle Rollen bereit. Die Shakespeare-Figuren werden mit Attributen versehen – so Katharinas blonde Schwester Bianca als „schön, aber fad“. Der Titelsong „Willi weiß alles“ erklingt auch am Ende – nach der hier nicht vorhandenen Schlussansprache der gebändigten Katharina mit einem Lob auf ihre Unterwerfung und Liebeserklärung an den Peiniger. Die „Uraufführung der Songarrangements von John R. Carlson“ für die „Fassung des Tourneeensembles ‚Spaß muss sein‘ gespielt von drei hochmotivierten Kolleg:innen der Wach- und Schließgesellschaft ‚Close Up‘“ hat mit Cole Porters noch immer beliebter Adaption „Kiss Me, Kate“ ganz und gar nichts zu tun.

Monika Frenz rollte nicht ganz verständlich mehrere Teppiche auf die Spielfläche und setzte die Renaissance-Kostüme mit krachlederner Deutlichkeit. Perücken als Signet für die Shakespeare-Figuren wandern von einem Security-Kopf zum anderen – wie die tiefrote für Katharina, welche aus verschiedenen Gründen niemand wirklich gern spielen will. Regisseurin Jasmin Sarah Zamani hat recht, der Artikulationslust und Fertigkeit der die Inszenierung individuell mitgestaltenden Darstellenden zu vertrauen. Ganz stark: Cornelia Löhr als Weichei-Kerle ablehnende und sehr autonome Anne, welche ihre Überzeugung unmissverständlich artikuliert. Ralf Hocke zeigt einen mit besseren Umgangsformen vertrauten Klaus, der im Beruf mit etwas erfolgreicherer Strenge auftritt als bei seiner Frau daheim. Schließlich Maurice Daniel Ernst als Jungspund Jochen mit immer stärkerer Empathie zum Stück, zu Emotion und Spiellust. Hingebungsvoll spielen und kämpfen alle drei – unter Michael Falks Leitung auch das musikalische Trio.

Die Songs setzen einen Klischee-Archetyp nach dem anderen. So bleibt die Musik stabil, während „Der Widerspenstigen Zähmung“ bröselt. Das schallende Lachen des Publikums vernichtet die wie auch immer geartete Aussage des Stücks dort, wo die Security-Comédiens nichts optimieren konnten. Dieses Sommertheater kritisiert also grob und subtil – nicht nur Shakespeare.


Musikalische Leitung: Michael Falk • Regie: Jasmin Sarah Zamani und hochmotivierte Kolleg:innen der Wach-und Schließgesellschaft „Close Up“ • Ausstattung: Monika Frenz • Licht: Robert und Maximilian Poller • Mit: Ralf Hocke (Klaus), Maurice Daniel Ernst (Jochen), Cornelia Löhr (Anne)

Aufmacherfoto: H. Dietz Fotografie

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