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Jesus Christ Superstar

Beam Me Up, Christus!

oRT
Eutiner Festspiele
von
Andrew Lloyd Webber (Musik)
Tim Rice (Gesangstexte)
Regie
Till Kleine-Möller
Uraufführung
1971

Lloyd Webbers Erlösermusical „Jesus Christ Superstar“ im Retrofuturismus

Wer die Baugeschichte der Hamburger Elbphilharmonie verfolgt hat, ist immer wieder erstaunt, wenn andere neue Kulturstätten tatsächlich im vorgesehenen Zeit- und Kostenplan errichtet werden. So wie die 16,5 Millionen Euro teure neue Seebühne der Eutiner Festspiele, die nach nur zwei Jahren Bauzeit in diesem Sommer tatsächlich wie geplant mit dem Rockmusical „Jesus Christ Superstar“ eröffnet werden konnte. Und die Neugier des Publikums auch über die Grenzen des kleinen ostholsteinischen Städtchens hinaus derart geweckt hat, dass schon im Kartenvorverkauf neue Rekordzahlen erzielt wurden.

Kein Wunder angesichts der gelungenen Bühnen- und Tribünenarchitektur für fast 2.000 Besucher, die nicht allein in der Pause einen herrlichen Blick über die Weite des Eutiner Sees eröffnet, sondern während der Vorstellung auch das Erlebnis eines kleinen großen Grünen Hügels vermittelt. Wobei hier eben nicht Richard Wagner, sondern Andrew Lloyd Webber auf dem Programm steht – und das in einer Version „Jesus 2.0“. Denn Regisseur Till Kleine-Möller hat die Passionsgeschichte in unser Medienzeitalter gebeamt, den Erlöser und seine zwölf Jünger mit reichlich digitaler Energie als vergötterten (und am Ende gefallenen) Superstar der Smartphone- und Tablet-Generation inszeniert.

„Retrofuturismus“ für eine über 2.000 Jahre alte Geschichte. Und die Idee von Christus und seiner Followerschaft geht tatsächlich auf! Nicht zuletzt, weil Kleine-Möller mit Bühnenbildner Jörg Brombacher, Choreograf Timo Radünz, Lichtdesigner Rolf Essers und Videokünstler Grigory Shklyar ein Team um sich geschart hat, das mit LED-Lichtern, Bildschirmen, Live-Bildern und Lichtshow unser alltägliches Drama der Meinungsbildung und Stimmungsmache in den Sozialen Netzwerken pointiert und plastisch umzusetzen weiß: von den Heilsparolen bis hin zur live übertragenen Demütigung und Folter des blutüberströmten Jesus am Kreuz. Religions- und Kulturgeschichte als ein einziges großes Internetspektakel …

Musikalisch trifft die Kammerphilharmonie Lübeck (KaPhil!) unter Christoph Bönecker mit rotzig-rockigem Klang Lloyd Webbers Mix aus großer Popsinfonie und intimem Gesang. Und auch bei den Protagonisten beweisen die Eutiner Macher ein glückliches Händchen: Florian Minnerop porträtiert Judas zerrissen in seiner Verzweiflung, grandios der Bass Tobias Blinzler als Hohepriester Kaiphas, insgeheim von Selbstzweifeln geplagt wird Pedro Reichert als Gewaltherrscher Pilatus. Emilio Moreno Arias gibt einen Christus, der nicht allein voller Virtuosität Stimm- und Stimmungslagen zu variieren weiß, sondern in seiner zerbrechlichen Androgynität eben auch genau die Idee eines „Jesus 2.0“ trifft.

Eine wahrlich gelungene Premiere der 73. Spielzeit auf Eutins neuer Freilichtbühne – wären da nicht einige Mängel, die sich in den Festspielwochen offenbart haben. So ist die Stromversorgung offenbar zu gering dimensioniert, sodass es ein Notstromaggregat braucht, und die Metall-Klappsitze der Tribüne fingen mangels geeigneter Außen-Lackierung schon nach Kurzem an zu rosten. Zudem musste der Orchestergraben der neuen Open-Air-Spielstätte aus Furcht der Musiker vor Feuchtigkeitsschäden an ihren Instrumenten auch während der Aufführungen komplett abgedeckt werden, was sich neben dem optischen Bild für die Besucher leider bisweilen auch negativ auf die Akustik auswirkte. Und dass die dafür hergestellte Plane sich als zu kurz entpuppte und bei regnerischem Wetter das Wasser in den Orchestergraben laufen ließ, erinnert dann doch wieder an peinliche Bau- und Planungsfehler der Elbphilharmonie …


Musikalische Leitung: Christoph Bönecker • Choreografie und Kostüme: Timo Radünz • Bühne: Jörg Brombacher • Licht: Rolf Essers • Videodesign: Grigory Shklyar • Mit: Emilio Moreno Arias (Jesus), Florian Minnerop (Judas), Maximilian Aschenbrenner (Petrus), Florian Heinke (Simon), Julius Störmer (Annas), Tobias Blinzler (Kaiphas), Joachim Kaiser (Herodes), Pedro Reichert (Pilatus), Antonia Kalinowski (Maria), Janneke Thomassen (Soul I), Maja Dickmann (Soul II), Ruth Katharina Fuchs (Soul III), Ilias Sidi-Yacoub (Priester), Tayler Davis (Priester), Konstantin Busack (Priester) u.a. • Kammerphilharmonie Lübeck (KaPhil!)

Aufmacherfoto: Daniel Lagerpusch

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