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Der geschenkte Gaul

Die doppelte Knef

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Theater für Niedersachsen
von
Udo Becker, Hans Hammerschmid, Charly Niessen und Hermann Thieme (Musik)
Hildegard Knef, Udo Becker, Paul von Schell und Reinhardt Friese (Text)
Regie
Jörg Gade
Uraufführung
2003

„Der geschenkte Gaul“ zum 100. Geburtstag eines Weltstars

Der Jubel will nicht enden. Gerade ist das Hildegard-Knef-Musical „Der geschenkte Gaul“ als erste Musical-Produktion der neuen Saison zu Ende gegangen und hat offensichtlich den Nerv des Publikums getroffen. Dabei gibt es bei aller Begeisterung auch Fragen. Doch der Reihe nach.

Die Musikwelt erinnert sich in diesem Jahr durch Konzerte, Lesungen und Bühnenproduktionen in besonderer Weise an „die Knef“, denn am 28. Dezember jährt sich ihr Geburtstag zum 100. Mal. Diese große Bühnenpersönlichkeit zu würdigen, aktiviert viele musikalische, aber auch gesellschaftspolitische Erinnerungen. All das sollte in dem Musical aufscheinen, das der Bühnenstar selbst zu schreiben begann. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Paul von Schell und dem Musiker Udo Becker sollte es eine Musicaladaption ihres Bestsellers „Der geschenkte Gaul“ werden. Das Werk konnte letztlich aber erst über 20 Jahre später – 2003, ein Jahr nach ihrem Tod – uraufgeführt werden.

Am Theater für Niedersachsen (tfn) lebt die Inszenierung von Jörg Gade, früher selbst Intendant am Haus, von einer interessanten Grundidee: Er schickt zwei Knefs auf die Bühne. Silke Dubilier verkörpert die ältere Knef, die meistens vor einem Garderobenspiegel sitzt und ihre eigene Geschichte erzählt. Natalie Patricia Friedrich spiegelt in der Rolle der jungen Knef diese Erzählungen wider. Dabei ist es für sie nicht einfach, neben Dubiliers vollendeter Bühnenpräsenz und ihrer für eine Knef-Adaption perfekt geeignete Stimme zu bestehen. Die Regie lässt dieser begabten jungen Musicaldarstellerin nicht sehr viele Möglichkeiten zur Entfaltung. Und sie muss mit ihrer für hohe Lagen gut geeigneten Stimme in der gleichen tiefen Lage wie ihre Knef-Partnerin singen. Das reduziert die Durchschlagskraft, die man von ihr aus anderen Situationen kennt und schätzt. Vor diesem Hintergrund holt Friedrich das Beste heraus, im Duett mit der älteren Knef entstehen dann auch beeindruckende Szenen. Und wie die beiden Knefs gruselige Erfahrungen im Krankenhaus umsetzen, das gehört zu den ergreifend authentischen Momenten des Abends.

Dann wieder darf gelacht werden, weil fast alle männlichen Nebenrollen als extreme Slapsticknummern daherkommen. Ob das dem Sujet entspricht, kann diskutiert werden. Den Vogel schießt dabei Guido Kleineidam ab. In Sekundenschnelle wechselt er mit sprühendem Komödiantentum und fit in Dialekten von Mischa, dem ersten Partner der Knef, zu einem Irren, zu Knefs Stiefvater, zu Viktor de Kowa, dann zu einem Transvestiten, zum Casting-Agenten, einem rassistischen Partygast und vom Produzenten zum Reporter – umwerfend komisch.

Der Knaller des Abends aber ist Silke Dubilier. Sie singt und agiert als Knef manchmal besser als das Original. Das ist großes Theater – man möchte ihr einen eigenen Knef-Abend wünschen. Fans dürfen sich auf Titel wie „Ich möchte am Montag mal Sonntag haben“, „Das Glück kennt nur Minuten“, „Ich brauch’ Tapetenwechsel“ oder „Ich bin allein“ freuen. Die singt Dubilier oft gemeinsam mit ihrem jüngeren Alter Ego.

Die Lieder werden in Arrangements von einer sechsköpfigen Combo begleitet, die unter der Leitung von Andreas Unsicker mit allen Wassern gewaschen ist. Das groovt, es gibt zickige Bläserriffs und dann wieder leise Töne – das Zuhören ist ein purer Spaß. Nur wird der Ton der Band, wie so oft im tfn, zu laut ausgesteuert. Das geht zulasten der Textverständlichkeit.

Insgesamt erlebt man in Hildesheim einen unterhaltsamen Abend mit berührenden und amüsanten Momenten. Und natürlich darf der Regen der Rosen nicht fehlen, den die beiden Knefs am Schluss in glitzernden Kleidern als ein zugewandtes Mehrgenerationen-Duett in den Saal schmettern, dass es eine wahre Freude ist.


Musikalische Leitung: Andreas Unsicker • Regie: Jörg Gade • Choreografie: Lisa Kolada • Ausstattung: Beata Kornatowska • Mit: Natalie Patricia Friedrich (Hilde), Silke Dubilier (Hilde/1. Nutte/2. Schauspielerin/Marlene Dietrich), Lisa Kolada (Irre/Frau von de Kowa/2. Nutte/1. Schauspielerin/Agentin/Reporterin), Ömer Örgey (Der Irre/amerikanischer Offizier/Inspizient/Fotograf Max/Regisseur/Herb/Reporter/Tonio), Jonas Heinle (Soldat/Irrer/französischer Offizier/Kurt/Reporter/Ufa-Regisseur), Lorin Goltermann (Irrer/Großvater/russischer Offizier/1. Transvestit/PR Jack/D. Selznick/Martin/Ufa-Produzent/Paul), Guido Kleineidam (Mischa von Demandowsky/Irrer/Stiefvater/Viktor de Kowa/2. Transvestit/Casting Agent/rassistischer Partygast/Produzent Feuer/Reporter)

Aufmacherfoto: Tim Müller

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