„Peter Pan“ als Kooperation von Laien, Profis und Studierenden
Seine erste große Aufführung erlebte „Peter Pan – Ein musikalisches Abenteuer“ von George Stiles (Musik), Anthony Drewe (Gesangstexte) und Willis Hall (Buch) in Konzertform, es folgten halbszenische Versionen. Am Staatstheater Kassel kommt jetzt die Bühnenfassung in der klugen Übersetzung von Roman Hinze zum Einsatz, das Abenteuer besteht vor allen Dingen im Gesamtkonzept: Es handelt sich um eine Gemeinschaftsproduktion von Schauspiel-Ensemble, Staatsorchester, dem eigenen Kinderchor „Cantamus“ und der Kinderstatisterie mit Studierenden der Hochschule Osnabrück.
Dadurch wirkt das Spielalter authentisch. Gut auszumachen sind schon jetzt echte Talente: Daniel Nothnagel ist als Nana und Smee der komödiantische Sympathieträger, Tim Stolberg überzeugt als Titelheld und Pauline Weschta singt und spielt ausdrucksstark eine Wendy auf dem Weg zur Erwachsenen. Wandlungsfähigkeit beweist Salyma Chatty als Piratin, Schatten und Gesangsstimme der Erzählerin.
In ihrer Entwicklung wandelte sich die Show – auch nach dem Erfolg von Stiles als Komponist für „Mary Poppins“ – vom musikalischen zum bühnentechnischen Abenteuer, das junge Menschen für das Theater begeistert kann. In Kassel ist es ein Abenteuer für die Fantasie, weg von Realismus und Klischee. Auf der Bühne von Sebastian Ellrich beginnt es in einem weißen Raum. Wenn die Kinder mit Peter Pan wegfliegen, bleiben sie auf der Stelle stehen. Wände und Decke werden auseinandergezogen, Teile bleiben hängen, der Boden wird zu immer neuen Andeutungen von Orten verschoben. Das ehemalige Zimmerfenster schwebt als beleuchteter Kreis und kann abgesenkt werden. Man (und Hund) trägt in Lara Belén Jackels Kostümen weiß, die in den Schnitten leicht historisiert wirken. Nixen und Eingeborene vermeiden jede Folklore. Die Piraten tragen schwarze Anzüge und Aktenkoffer. Nur Käpt’n Hook (herrlich böse in der Doppelrolle als Vater: Aljoscha Langel) tritt im weißen Rüschenhemd und mit dem obligatorischen Piratenhaken auf. Das dafür verantwortliche Krokodil findet sich als Gebiss im Innenleben der Aktenkoffer. Der „böse Drache“ steigt als Papierdrachen auf, Peters Schatten ist eine Darstellerin im schwarzen Full Bodysuit und Fee Tinkerbell ist mal Lichtprojektion (Oskar Bosman) und dann Leuchtmittel in der Hand. Weniger gelungen: Die Erzählerin, die eigentlich für die gealterte Wendy steht, gibt es diesmal nur als Toneinspielung (Annett Kruschke). Wendy schmiert sich grauweiße Creme in die Haare und stellt so selbst das Altern da.
Mit kleiner Orchesterbesetzung sorgt Petert Schedding für einen fein differenzierten Klang der aus vielen Motiven bestehenden Komposition, der allerdings Ohrwurmqualitäten fehlen. Schedding bietet Sängerinnen und Sängern viel Raum zur Entfaltung und stützt sie. Regisseurin Nora Bussenius hat Erfahrung in der Musiktheaterarbeit mit jungen Leuten. Eine wichtige Kompetenz, denn in jeder Szene ist zu spüren, mit welcher Begeisterung alle agieren. Fiona Luisa hat den Kinderchor bestens vorbereitet. Die Choreografie (Marie-Christin Zeisset) fügt alle Beteiligten zusammen.
In weiteren Rollen überzeugen am Premierentag Lasse Ankermann (John) und Amani El Sadek (Mrs. Darling/Piratin). Als Piraten begeistern Leander Bertholdt, Nuno Dehmel, Tobias Gerisch, Jonas Helmers und Laetitia Hippe, die charismatische Tiger Lily ist Lena Hause. Die Verlorene Jungs werden von Hannes Eggers, Cecinho Feiertag, Lucca Müller, Mark Reingardt, Luis Pepe Sack und Jonathan Suras gespielt; Nixen und Amazonen sind Julia Dreier, Kristina-Sofia Katsagiorgis, Nele Fromm, Helena Gabrys, Charlotte Geismann, Lara Leiner und Helene Thielemann. Die Produktion ist in ihrer Beteiligungskonzeption ein Kraftakt und Gewinn für die Fantasie.
Musikalische Leitung: Peter Schedding • Bühne: Sebastian Ellrich • Kostüme: Lara Belén Jackel • Choreografie: Marie-Christin Zeisset • Chor: Fiona Luisa • Licht: Oskar Bosman • Szenisches Coaching und Vermittlung: Hannah Rech • Mit: Tim Stolberg (Peter Pan), Pauline Weschta (Wendy), Aljoscha Langel (Mr. Darling/Käpt’n Hook), Daniel Nothnagel (Nana/Smee), Amani El Sadek (Mrs. Darling/Piratin), Annett Kruschke (Erzählerin), Salyma Chatty (Gesangsstimme der Erzählerin/Piratin/Peters Schatten), Lasse Ankermann (John), Alina Moch (Michael), Lena Hause (Tiger Lily) u.a.
Aufmacherfoto: Sylwester Pawliczek