TL 2024 25 Cabaret 081 c Katrin Ribbe b | MUSICAL TODAY

Cabaret

Von Glanz keine Spur

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Theater Lübeck
von
Joe Masteroff (Buch)
John Kander (Musik)
Fred Ebb (Gesangstexte)
Regie
Malte C. Lachmann
UraufführunG
1966

Der Neuinszenierung von „Cabaret“ fehlen Tempo, Glamour und Musikalität

Im Zentrum des Musicals „Cabaret“ steht die unerfüllte Liebesgeschichte zwischen Schriftsteller Clifford Bradshaw und der exzentrischen Nachtclubsängerin Sally Bowles im Berlin der 30er Jahre, während der zunehmenden Bedrohung durch die Nazis. Aufgrund der drängenden Aktualität findet sich das Stück landauf, landab wieder auf den Spielplänen, so nun auch am Theater Lübeck.

Schauspieldirektor und Regisseur Malte C. Lachmann hat für seine Inszenierung einige fragwürdige Entscheidungen getroffen. Schon zu Beginn wirken die Figuren eindimensional, viele Dialoge gestelzt. Beim berühmten „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ fehlt Andreas Hutzel als Conférencier bereits das Schillernde, Verspielte und Frivole, um den Tanz auf dem Vulkan zu zelebrieren, gesanglich bleibt er wenig mitreißend. Zwar lassen die Kit-Kat-Girls und -Boys (Sabine Barthelmess, Kristin Heil, Laura Mahrla, Konstantin Busack) Spielfreude durchblitzen, strahlen aber durch Lachverbot und braun-beige Kostüme wenig Begehrlichkeit aus. Warum Lachmanns Kit-Kat-Klub so gar keinen Glamour versprüht, bleibt ein Rätsel.

Auch bleibt fraglich, warum er ein Musical überwiegend aus dem Schauspiel-Ensemble besetzt, nahezu ohne Rücksicht auf gesangliche Qualität. Sonja Cariaso kann als Sally Bowles zwar durch ihre Vielseitigkeit von verrückt bis zerbrechlich überzeugen, lässt aber gesanglich manches ungenau. Im Showstopper „Life is a Cabaret“ reißt sie durch nahezu manischen Ausdruck mit und kann stimmlich einiges wettmachen. Als Clifford Bradshaw bleibt Will Workman ziemlich farblos. Das Duo Fräulein Schneider (Astrid Färber) und Herr Schultz (Michael Fuchs) ist stimmlich berührend, lässt im Spiel jedoch genau diese Zärtlichkeit vermissen und erscheint zeitweilig eher unbeholfen als verlegen. Beeindrucken können Susanne Höhne als Fräulein Kost mit ihrem facettenreichen, zwischen verspielt-naiv und resolut wechselnden Spiel und ihrer warmen Chanson-Stimme sowie Johannes Merz als strenger, erbarmungsloser Nazi Ernst Ludwig, stimmlich voluminös und klar.

Insgesamt bleibt der Abend musikalisch äußerst unterdurchschnittlich, die dünnen und teilweise schrägen Klänge der auf der Bühne drapierten Band (Musikalische Leitung: Willy Daum) können ihn nicht unbedingt retten. Auch die Choreografien von Tiago Manquinho überzeugen kaum, sie scheinen häufig aus unkoordiniertem Herumwirbeln ohne Bezug zur Handlung zu bestehen, inklusive Schuhplattler- oder Macarena-Einlagen. Eindrucksvoll hingegen, wie die Kit-Kats zu „Money“ dem Geld treppab Zombie-like hinterherkriechen.

Die Kostüme von Tanja Liebermann lassen bei den Kit-Kat-Girls und besonders beim Conférencier Glanz vermissen, ansonsten sehen sie zweckdienlich, historisch und stimmig aus. Die fahrbaren, runden Elemente des Bühnenbilds (Ramona Rauchbach), hinter denen sich die Band, das Zimmer und der Kit-Kat-Klub verbergen, bringen Dynamik auf die Bühne. Die teils schwarz-weißen, historisierenden Illustrationen sind eine gute Idee, werden aber nicht immer überzeugend umgesetzt, bleiben teilweise unscharf-pixelig oder nahezu kindlich. Einfach und dennoch eindrucksvoll: der große, mit Gebäuden bedruckte Bühnenprospekt, hinter dem zwischendurch Hakenkreuzflaggen und Hitler-Wahlplakate sichtbar werden.

Der Abend vergeht mit der Suche nach positiven Details. Als zum nationalistischen „O Vaterland“ das Saal-Licht angeht und das Publikum zum Mitmachen aufgefordert wird („Jetzt alle!“) oder Ausschnitte aus dem AfD-Parteiprogramm verlesen werden, während hinter dem Hakenkreuz-Prospekt unverkennbar das AfD-Blau hervorlugt, setzt die Inszenierung starke und gelungene Akzente. Gerne hätte man mehr davon gesehen. Dass der Conférencier am Schluss von Ludwig erschossen wird, zerstört leider den dramaturgisch unfassbar starken und nahezu unerträglichen Schwebezustand der Ungewissheit durch konkrete Drastik. Man bleibt ratlos zurück. Es wirkt leider so, als hätte sich das Theater Lübeck mit diesem Stück übernommen.


Musikalische Leitung: Willy Daum • Choreografie: Tiago Manquinho • Bühne: Ramona Rauchbach • Kostüme: Tanja Liebermann • Licht: Jan Moritz-Bregenzer • Ton: Tom Schilling und Jan Mührer • Mit: Andreas Hutzel (Conférencier), Sonja Cariaso (Sally Bowles), Will Workman (Clifford Bradshaw), Johannes Merz (Ernst Ludwig), Astrid Färber (Fräulein Schneider), Michael Fuchs (Herr Schultz), Susanne Höhne (Fräulein Kost) u.a. • Band des Theaters Lübeck

Aufmacherfoto: Katrin Ribbe

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