„Mozart!“ und sein ungestümer Kampf um Anerkennung und Freiheit
1999 in Wien uraufgeführt, kommt „Mozart!“ jetzt ins Prinzregententheater und wird dabei ausschließlich von Studierenden der Bayerischen Theaterakademie August Everding zum Leben erweckt. Michael Kunze und Sylvester Levay sehen ihr Musical als perfektes Stück für junge Künstlerinnen und Künstler, die – wie der Protagonist – ihren Weg zur kreativen Selbstverwirklichung bestreiten.
Bereits in jungen Jahren als angesehener Komponist und „Wunderkind“ gefeiert, muss sich der hochmütige Wolfgang Amadeus Mozart den Herausforderungen als erwachsenwerdender Künstler stellen. Dabei fühlt er sich hin- und hergerissen von der strengen Hand seines Vaters und seines eigenen Genies „Amadé“. Sein ewiger Kampf mit den Schulden, dem Streben nach Anerkennung und dem Wunsch nach Freiheit wird von Regisseur Andreas Gergen auf eine völlig neue Art inszeniert. Das Bühnenbild, ein halbrundes, mehrstöckiges Baugerüst, erinnert entfernt an das Kolosseum. Unter Verwendung einer Drehscheibe wird eine Art Kampfarena für Mozarts Leben geschaffen. Zwei riesige Anzeigetafeln fahren an dem Gerüst aus und ordnen durch digitales Bildmaterial Mozarts geraffte Lebensdarstellung zeitlich und räumlich ein. Mit Choreografien von Alex Frei bleibt das Ensemble zu jeder Zeit auf der Bühne, verfolgt das Geschehen oder nimmt aktiv teil.
Nicht unpassend in dieser Neuinszenierung – wenn auch etwas befremdlich für den ein oder anderen, der sich eher eine klassische Szenerie gewünscht hätte – sind Conny Lüders weiße Sportkostüme, welche je nach Rolle entsprechend akzentuiert werden. Anschnallbare Hüfthalter bewirken u.a. durch den Überwurf von verschiedenfarbigen Tüchern charakteristische Unterscheidungen. Wie ein Staffelstab sorgt auch der pinke Glitzermantel für gleich drei Mozarts. Christian Sattler, Jens Emmert und Raphael Binde schlüpfen nacheinander in die Rolle und gliedern sich sofort in die emotionalen Höhepunkte seines Lebens, wie etwa den Tod seiner Mutter, ein. Dabei versäumen sie es nicht, dem Charakter jeweils ihre eigene Note zu geben – und doch kauft man jedem gleichermaßen den ungestümen Komponisten ab.
Begleitet wird Mozart dabei von „Amadé“, der Personifikation seines Genies. Diese Rolle wurde ursprünglich für ein Kind konzipiert. Da es sich in München um eine Produktion mit ausschließlich studentischen Darstellern handelt, löst der Regisseur das Problem durch eine glitzernde Puppe. Zunächst etwas befremdlich wirkend, schafft das Zusammenspiel von Mozart und Puppe eine emotionale Tiefe, welche nicht zuletzt die Schattenseiten, zum Beispiel durch das Würgen des Protagonisten, widerspiegeln.
Die Darstellung älterer Rollen erfordert ein gewisses Maß an Fantasie seitens des Publikums. Trotz der Tatsache, dass die jungen Künstlerinnen und Künstler ihre Rollen überzeugend spielen, bleibt das Alter sichtbar. Teodor Pop als Colloredo tritt sehr kraftvoll auf. Highlight des sonst verbalen Showdowns zwischen Mozart und dem Fürsten ist ein dargestellter Boxkampf, in dem ersterer als Sieger hervorgeht und sich somit endgültig vom Fürsten löst. Besonders hervor tut sich die Baronin von Waldstätten, gespielt von Madleen Dederding. Mit Anmut bestärkt sie Mozart, „hinaus in die Gefahr“ zu gehen, ihr Lied „Gold von den Sternen“ interpretiert sie gekonnt als Mediatorin zwischen Vater und Sohn.
Begleitet werden die Studierenden vom Münchner Rundfunkorchester unter Leitung von Andreas Kowalewitz. Spielerisch leicht wechselt dieses von Klassik über Pop bis hin zum Rock. Nur mit der Lautstärke hat man es zu gut gemeint. Einzelne Textpassagen, besonders im ersten Akt, sind nicht mehr zu verstehen.
Die Interpretation von Mozarts Leben als ewiger Kampf geht auf. Die Kombination aus modernem Bühnenbild, engagierten Darstellern und einem vielseitigen Orchester schafft eine lebendige Atmosphäre, die sowohl Höhen als auch Tiefen beleuchtet.
Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz • Bühne: Stephan Prattes • Kostüme: Conny Lüders • Choreografie: Alex Frei • Puppendesign und -coaching: Richard Panzenböck • Figurenbau: Richard Panzenböck und Michaela Studeny • Video: Philipp Contag-Lada • Licht: Benjamin Schmidt • Ton: Georgios Maragkoudakis, Klemens Schulze, Christian Späth und Ememkut Zaotschnyj • Mit: Christian Sattler (Mozart 1), Jens Emmert (Mozart 2), Raphael Binde (Mozart 3), Ehab Eissa (Leopold Mozart), Alida Will (Nannerl Mozart), Teodor Pop (Hieronymus Colloredo), Bjarne Rentz (Karl Joseph Graf Arco), Melanie Maderegger (Cäcilia Weber), Laura Oswald (Constanze Weber), Madleen Dederding (Baronin von Waldstätten), Brandon Miller (Emanuel Schikaneder/Joseph II.), Julia Bergen (Aloysia Weber), Amy Sellung (Josepha Weber/Anna Maria), Svea Harder (Sophie Weber/Stephanie), Tillmann Schmuhl (Fridolin Weber/Dr. Mesmer), David Weinert (Johann Thorwart), Nico Burbes (Maria Theresia), Floyd Clemens (Salieri), Valentina Pohl (Kammerherr) u.a. • Münchner Rundfunkorchester
Aufmacherfoto: Lioba Schöneck