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1 Merrily We Roll Along Liebig Andreas BieberEnsemble | MUSICAL TODAY

Merrily We Roll Along

Wenn das Leben rückwärts läuft

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Theater Regensburg
von
Stephen Sondheim (Musik und Gesangstexte)
George Furth (Buch)
Regie
Sebastian Ritschel
Uraufführung
1981

Stephen Sondheims „Merrily We Roll Along“ als glitzernde Show im Theater Regensburg

Die Themen sind zeitlos, die Dramen schleichen sich ganz allmählich ein und vergiften das Leben der Hauptfigur Franklin Shepard und seiner Umgebung. Es geht um Liebe und Freundschaft, Erfolg, Betrug und Enttäuschungen. Am Regensburger Theater inszeniert Intendant Sebastian Ritschel das Musical „Merrily We Roll Along“ von Stephen Sondheim als schnelle, schillernde Revue, bei der die Zeit scheinbar selbstverständlich rückwärts läuft.

Gelegentlich gleitet die Musik in jazzige Rhythmen ab, unterbrochen von leisen Soloparts. Die raschen Wechsel in Melodie und Szenen lassen die Zuschauer fast atemlos zurück. Andreas Kowalewitz dirigierte das philharmonische Orchester Regensburg akribisch und temporeich. Gleichzeitig scheint der schleichend falsche Weg der Hauptfigur so vorgezeichnet wie im antiken Drama. Lässig unbedacht torkelt Franklin von Traum einer großen Zukunft in der Schulzeit in ein trübes und verlogenes Leben als Erwachsener. Andreas Bieber beeindruckt in der Hauptrolle sowohl als mittelalter und erfolgsverwöhnter Filmproduzent wie auch als Jugendlicher voller Pläne.

Es sind nicht die großen Schicksalsschläge, sondern viele kleine, falsche und allzu menschliche Entscheidungen. Ein Ehebruch und eine Scheidung, Gier statt Freundschaftspflege und zu viele vertagte Momente enden in einer schrill-künstlichen Welt. „Jeder Tag tut weh“, singt Franklins langjährige Freundin Mary und betrinkt sich. Der treue Freund Charley macht seiner Verbitterung Luft und Franklin stolpert durch sein Leben. Zu oft vertagt er Gefühle, verrät die Ideale der Jugend für Erfolg, Ruhm und Reichtum. Er erkennt nicht, dass Mary ihn liebt, verletzt seine Ehefrau.

Der 1930 in New York geborene Stephen Sondheim war einer der bedeutendsten Muscialautoren des 20. Jahrhunderts, er schrieb u.a. die Songtexte der „West Side Story“ und komponierte zahlreiche berühmte Musicals. In „Merrily We Roll Along“ erzählt Sondheim teils autobiografisch vom Erfolg und seiner Last, er setzte das gemeinsam mit dem Buchautor George Furth um. Sondheims Musik ist komplex und so differenziert, dass eingängige Songs und tanzbare Rhythmen fehlen. So kommt das Musical nahezu ohne Tanz aus und liefert dafür echte Broadway-Stimmung.

Die Premiere 1981 im Alvin Theatre am Broadway war ein Flop, die Kritiken vernichtend. Das Musical wurde nach nur zwei Wochen wieder abgesetzt. Drei Jahre später arbeiteten Sondheim und Furth an einer Neufassung. Das Stück und einige Songs wurden massiv umgeschrieben, andere Lieder fielen ganz weg. Diese neue Fassung 1985 kam in San Diego auf die Bühne und neun Jahre später wieder in New York. Erst in diesem Jahrtausend folgten weitere Aufführungen und nach über 40 Jahren kehrte „Merrily We Roll Along“ an den Broadway zurück. Dieses Mal wurde das Stück ein Erfolg und gewann unter anderem den Tony Award in der Kategorie Bestes Revival eines Musicals.

Nun fand im Mai 2025 die deutschsprachige Erstaufführung in der Übersetzung von Sabine Ruflair und Jana Mischke am Theater Regensburg statt. Intendant Sebastian Ritschel bringt mit Dramaturg Ronny Scholz eine unterhaltsame Mahnung auf die Bühne. Dort verweisen die eingeblendeten Jahreszahlen auf den rückwärts erzählten Lebensweg der Hauptfigur. Die Sänger beeindrucken mit Stimme und Schauspiel. Mühelos bewältigten sie die Alterstransformation, blieben glaubwürdig bis in ihre verzweifelten Emotionen. Sebastian Ritschel setzte auf Pailletten-Anzüge und Discokugeln und vermittelt so das Flair vergangener Partynächte. Auf weitere Möbel und Ausstattung auf der Bühne wird ganz verzichtet.

Vom Premieren-Publikum gab es am Ende begeisterten Applaus. Das Wagnis, unbekannte Stücke zu präsentieren, gelingt Ritschel und seinem Team damit erneut perfekt. Das Theater Regensburg zeigt das Musical in zahlreichen weiteren Vorstellungen bis Mitte März 2026.


Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz • Choreografie: Gabriel Pitoni • Bühne und Kostüme: Barbara Blaschke/Sebastian Ritschel • Mit: Andreas Bieber (Franklin Shepard), Felix Rabas (Charley Kringas), Friederike Bauer (Mary Flynn), Fabiana Locke (Gussie Carnegie), Nina Weiß (Beth Spencer), Alejandro Nicolás Firlei Fernández (Joe Josephson/Terry), Maria Mucha (K. T./Mrs Spencer, Mutter Beth), Masengu Kanyinda (Meg Kincade/Dory), Konstantin Igl (Jerome, Anwalt), Teodor Pop (Tyler), Sophie Bareis (Scotty, Agentin), Julia-Elena Heinrich (Ru, Freundin), Ehab Eissa (Bunker/Pfarrer), Scarlett Pulwey (Evelyn/Audition-Girl), Benedikt Eder (Mr Spencer, Vater Beth/TV-Sprecher), Monika Schweighofer (Dory/Fotografin), Luca Sorrentino  (Frank Jr.) • Philharmonisches Orchester Regensburg

Aufmacherfoto: Marie Liebig / Theater Regensburg

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