„Im Anfang ist das Licht“ eröffnet einen neuen Krabat-Zyklus
Die zwölf schwarzen Raben der Krabat Saga haben sich im Sommer 2024 gleich auf mehreren Naturbühnen niedergelassen: u.a. beim Schauspiel im sächsischen Greifenstein (Theater Annaberg-Buchholz), mit Bürger-Sprechchor in der brandenburgischen Alvensleben-Kaserne (Staatstheater Cottbus) und als Mystery-Musical in der Bocksmühle Lumpzig (Theater Altenburg Gera). Doch am besten aufgehoben erscheint die sorbische Sage in Schwarzkollm/Čorny Chołmc, wo bereits in den 1990er Jahren eine Krabat-Mühle als touristisches Kulturzentrum nachgebaut wurde. Diese hat jetzt ihren Zuschauerraum erweitert, die seit 2012 bestehenden Krabat-Festspiele in Eigenregie übernommen und dabei durch zusätzliche Gesangeinlagen die Theater-Saga zum Musical weiterentwickelt. Auf die erste Folge, „Im Anfang ist das Licht“, sollen in den nächsten Jahren Fortsetzungen folgen.
„Witajće k nam!“ – „Herzlich willkommen!“ Die Theatervorführung in Schwarzkollm kann man auch als sorbischen Heimatabend verstehen. Trachten, Brauchtum und Lieder werden vorgeführt, wobei man – ohne Übertitel – immer wieder in die sorbische Sprache wechselt. Gleich zu Beginn, als Vorgeschichte der Krabat Saga, richtet ein Braška, also der sorbische Hochzeitbitter und Zeremonienmeister, für Krabats Eltern eine Hochzeit nach regionalem Brauchtum ein, wobei auch sorbischem Schnaps zugesprochen wird. Mit Witz und Temperament gefällt Franz Lenski bei diesen Volkstums-Ritualen.
Vielleicht ein wenig zu häufig wird philosophiert: über Schwarze Magie und im Gegensatz dazu Aufklärung, über Religion und Emanzipation, finstere Teufelei und geistige Erleuchtung. Will man Krabat nahe an Goethes Faust und Mephisto führen? Während Faust sinniert, ob im Anfang das Wort war, ist es hier das Licht: „Wenn Dunkelheit anbricht, erwacht in uns das Licht.“ Immer wieder wird die Abfolge der Jahreszeiten als natürlicher Lebenskreislauf durchgezählt, unterlegt mit dem konventionellen melodramatischen Musical-Sound von Andreas Goldmann, der schon im Fernsehen der DDR große Erfolge feierte.
Von „Krabat“ sind viele und sehr unterschiedliche Fassungen überliefert. Michael Kuhn nutzt dies und weiß als Autor und Regisseur in seiner neuen Version die Saga überraschend zu akzentuieren. Heimat und Heimatlosigkeit sind nahe verwandt, der Gegensatz bestimmt die Identität: Krabat, so wird erklärt, ist ein anderes Wort für Kroate. Das verlassene sorbische Kind Janek war nach Ragusa in die Obhut von drei Roma-Frauen gebracht worden, ehe es dann als Krabat aus Dalmatien wieder in die Heimat zurückkehrt. Überraschend stellt sich in dieser Fassung auch heraus, dass ausgerechnet der schwarze teuflische Müller Krabats Vater ist: überzeugend in seinem Zwiespalt Nico Müller, bekannt vom Musikprojekt Adoro.
Frauen haben in Kuhns neuer Fassung nun mehr Gewicht, auch die bösen. Čorna Kmótra, die Dunkle Patin, ist eine Drahtzieherin mit Teufelskrallen und Totenkopf (Julia Henke). Betend und liebend treten Waltraud Auer und Maxie Werner als jugendliche Mutter und junge Freundin in Erscheinung. Steffen Urban, dem Schwarzkollmer Publikum von früheren Aufführungen als Sachsenkönig August der Starke bekannt, spielt nun einen barocken Dresdner Theaterdirektor, der auf dem Land auf der Suche nach einem Stoff ist. Er konversiert dabei mit der alten Hanka (Cornelia Drese), die als Erzählerin in Rückblicken in die Geschichte einführt.
Als Krabat ist der 25-jährige, aus dem benachbarten Ort Lauta/Łuty stammende Musicaldarsteller Richard Fuchs zu sehen. Mit seinem Zwillingsbruder Anton – dieser ist nun Projektleiter des Unternehmens – war er bereits vor sechs Jahren hier in dieser Rolle aufgetreten. Die 60 aus der Umgebung gecasteten Darsteller sind nun zwar nicht in Hauptrollen zu sehen. Als Müllerburschen, Dorfmädchen und Dorfkinder agieren sie in der Choreografie von Johanna F. Krüger in flotten Auftritten aber professionell und routiniert. Krabat erweist sich insofern auch als ein Dorffest. „Im Anfang ist das Licht“: Am Ende knallt ein kräftiges Feuerwerk in die schwarze Nacht.
Ausstattung: Michael Wolf • Choreografie: Johanna F. Krüger • Mit: Nico Müller (Janko/Der schwarze Müller), Waltraud Auer (Marija), Cornelia Drese (Hanka/Alter Ego der Kantorka), Franz Lenski (Bartuš/Braška), Steffen Urban (Ambrosius Balthasar Hempel), Julia Henke (Čorna Kmótra/Dunkle Patin), Richard Fuchs (Der Krabat), Maxie Werner (Hanka/Die Kantorka) • Volksensemble
Aufmacherfoto: Robert Jentzsch