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Disneys Der Glöckner von Notre Dame – Das Musical

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Thunerseespiele
von
Alan Menken (Musik)
James Lapine und Peter Parnell (Buch)
Stephen Schwartz (Liedtexte)
Regie
Dominik Flaschka
Uraufführung
1999

„Der Glöckner von Notre Dame“ muss sich auch international nicht verstecken

Der Schweizer Regisseur Dominik Flaschka, der bereits 2018 bei „Mamma Mia!“ auf der Seebühne Regie führte, präsentiert mit seiner Neuinszenierung von „Der Glöckner von Notre Dame“ eine vielschichtige Produktion voller Überraschungen.

Sein Konzept setzt unmittelbar nach dem Brand von Notre-Dame im Jahr 2019 an. Aus der Asche der Brandkatastrophe entspinnt sich Quasimodos fiktive Geschichte. Chor und Ensemble – in der Rolle der Erzählenden – holen das Publikum in der Gegenwart ab und begleiten es zurück ins spätmittelalterliche Paris. Die Perspektive zeigt von Beginn an auch eindrucksvoll, dass die zentralen Themen von Victor Hugos Buchvorlage – Diskriminierung, Ausgrenzung, Machtmissbrauch – nichts an Aktualität verloren haben.

Stephan Prattes’ Bühnenbild setzt diese Zeitreise auch visuell äußerst beeindruckend um. Was auf den ersten Blick ein schlichtes Baugerüst zu sein scheint, entpuppt sich im Laufe der Aufführung als wandelbares Gesamtkunstwerk, das auf fünf Stockwerken bespielbar ist. Mittig auf der Bühne befindet sich eine Spielfläche, die den Zufluchtsort Quasimodos darstellt, auf der linken Seite der Wunderhof, Wohnort der Narren, und rechts der gotische Glockenturm.

Die Inszenierung lebt von Kontrasten, besonders in der Lichtdramaturgie von Fabian Küng. Das Gerüst ist mit LED-Leisten versehen, die immer wieder neue Farben und Formen hervorbringen, manchmal abstrakt und gebrochen, manchmal fließend und pulsierend. Fackeln und Knallkörper fügen sich nahtlos in diese visuell starke Umsetzung ein. Mit zunehmender Dunkelheit entfaltet die Szenerie eine magische Kraft: eine Lichtsymphonie auf dem Wasser.

Ein richtiger Geniestreich sind die überlebensgroßen Steinfiguren, die das Ensemble immer wieder zum Leben erweckt. Für Quasimodo sind sie vertraute Freunde. Wenn sie in Bewegung gebracht werden, dominieren sie die gesamte Szenerie und ziehen die Zuschauenden in ihren Bann. Irina Hofers Kostüme akzentuieren die Geschichte modern und vielschichtig. Das Pariser Volk erscheint in nüchterner Strenge, während die Narren in leuchtenden Farben und gemusterten Stoffen bunte Vielfalt und Lebensfreude verkörpern. Das Maskenbild der Thunerin Olivia Sieber ergänzt diese Wirkung mit liebevollen Details.

Auch darstellerisch überzeugt die Produktion auf ganzer Linie. Denis Riffel meistert die in diesem halsbrecherischen Setting physisch an Spitzensport grenzende Rolle des Quasimodo äußerst souverän. Trotz widriger Witterung – 13 Grad, Wind, regennasse Bühne – bleibt seine Interpretation dynamisch und kindlich berührend, auch wenn seine Stimme bei dieser Vorpremiere leicht angeschlagen scheint. Sharon Isabelle Rupa brilliert als temperamentvolle Esmeralda mit starker Bühnenpräsenz und wunderschöner Stimmfarbe; ihre Duette mit dem gesanglich ebenso herausragenden Oliver Floris (Phoebus) zählen zu den musikalischen Höhepunkten. Detlef Leistenschneider verleiht Frollo beklemmende Tiefe, seine Zerrissenheit ist spürbar. Auch er überzeugt mit kraftvoller Stimme.

Die Choreografien von Jonathan Huor prägen die Szenerie mit vielen gelungenen Akzenten. Vom ausgelassenen Fest der Narren bis hin zur Gebärdensprache: Jede Bewegung erzählt die Geschichte mit. Der Moment, in dem das Ensemble im Finale Quasimodos Gebärden aufnimmt und die Botschaft geeint in den Zuschauerraum sendet, wird zum Ausdruck menschlicher Verbundenheit.

Das Orchester, seit 2003 dirigiert von Iwan Wassilevski, verwandelt die Partitur in einen imposanten Klangteppich: warm, wuchtig, feinfühlig. Der von Patrick Secchiari einstudierte Chor trägt mit wunderschönen Harmonien und emotionaler Kraft wesentlich zum Erfolg bei. Die stimmlichen Harmonien des rund 50-köpfigen Ensembles sind absolut Weltklasse und ein weiterer Höhepunkt des Abends.

Diese Neuinszenierung des „Glöckners von Notre Dame“ ist mehr als ein Open-Air-Spektakel. Sie ist ein vielschichtiges Gesamtkunstwerk, das visuelle Kraft, musikalische Tiefe und gesellschaftliche Relevanz zu einem eindrücklichen Theatererlebnis verbindet.


Musikalische Leitung: Iwan Wassilevski • Choreografie: Jonathan Huor • Bühne: Stephan Prattes • Kostüme: Irina Hofer • Masken- und Perückendesign: Olivia Sieber • Licht: Fabian Küng • Sounddesign: Thomas Strebel • Chorleitung: Patrick Secchiari • Mit: Denis Riffel (Quasimodo), Sharon Isabelle Rupa (Esmeralda), Detlef Leistenschneider (Erzdiakon Claude Frollo), Oliver Floris (Hauptmann Phoebus de Martin), Frank Josef Winkels (Clopin Trouillefou), Alex Bellinkx (König Louis XI), Anja Quinter (Florika), Benedikt Berner (Junger Frollo), Florian Sigmund (Jehan Frollo), Mathias Reiser (Leutnant Frederic Charlus), Mona Graw (Madame), Thomas Schreier (Pater Dupin) u.a. • Musical-Singers • Orchester der Thunerseespiele

Aufmacherfoto: Thunerseespiele

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