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23 Jekyll and Hyde P 06 12 2024 Anna Langner Florian Minnerop Foto Christina Iberl | MUSICAL TODAY

Jekyll & Hyde

Wehe, wenn er losgelassen …

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Ort
Staatstheater Meiningen
VON
Frank Wildhorn (Musik)
Leslie Bricusse (Buch und Gesangstexte)
Regie
Cusch Jung
Uraufführung
1990

Im Dauerbrenner „Jekyll & Hyde“ wird wieder gemordet

Nach der Uraufführung in Houston/Texas 1990 lief Frank Wildhorns Musical „Jekyll & Hyde“ ganze vier Jahre am New Yorker Broadway. Auch in Europa hat es längst einen sicheren Platz im Repertoire kleinerer Häuser. Schließlich geht es um die dunkle Seite der menschlichen Natur – und darum, was passieren kann, wenn der Mensch dem Schöpfer ins Handwerk pfuscht. Der Plot ist also aktueller denn je.

Im Zentrum steht Dr. Henry Jekyll. Dem wird ein Antrag auf Bewilligung von Mitteln (bzw. eines lebenden Probanden) für seine Forschungen im Grenzbereich der menschlichen Psyche abgelehnt. Aus der Perspektive des Antragstellers wirken die Herren und die eine Dame der Kommission zwar borniert; nachvollziehbar sind ihre Gründe dennoch.

Zugleich steht Jekylls Hochzeit mit Lisa Carew bevor, der Tochter des Chefs der Kommission. In einer Mischung aus wissenschaftlichem Forscherdrang, jugendlicher Hitzköpfigkeit und allzu menschlich prickelnder Neugier auf die eigenen dunklen Seiten startet Jekyll schließlich in seinem Labor einen geheimen Selbstversuch. Er verwandelt sich erst dosiert und dann unkontrolliert in jenen Edward Hyde, der seine „Gegner“ aus der Kommission der Reihe nach umbringt …

In seiner Meininger Neuinszenierung redet sich Cusch Jung nicht auf eine boulevardeske Salonkomödie heraus, sondern nimmt die Sache tod- bzw. mordsernst. Imponierende Pfeiler, Portale, Nebelmaschinen und eine perfekt atmosphärische Lichtregie sorgen für Londoner Nebeldüsternis, die Kostüme für Zeitgeist und reichlich Rotlicht für anrüchiges Tabledance- und Bordell-Ambiente. Hier spreizen sich die spießigen Upperclass-Typen der Kommission (von Lord und Lady über General bis Bischof) sowie die proletarischen Underdogs. Der von Roman David Rothenaicher einstudierte Chor folgt mit Lust der Choreografie von Jung. Auch der dosierte SM-Look um die allemal lasziv auftrumpfende Lucy passt wohldosiert dazu. In dieser Rolle als Geliebte und Opfer von Hyde setzt Anna Langner als Gast den Standard als Musical-Allrounderin. Wobei sich im Duett von Lucy und Lisa auch Ensemblemitglied Sara-Maria Saalmann in der Rolle von Jekylls Braut als Musicalbegabung von Rang outet.

Mit dem Wildhorn-Musical ist Meiningen auf der sicheren Seite. „Jekyll & Hyde“ bietet die genretypische musikalische Melange von balladesker Song-Romantik bis zum zackig hingerockten Chor-Parlando, immer wieder aufgelockert mit originellen Instrumentensoli. Kens Lui und die Meininger Hofkapelle machen daraus einen süffigen Sound, der durchaus zündet. Aber auch im Ganzen als sozusagen seriöse Musiktheater-Version funktioniert das ganz fabelhaft.

Noch dazu, wenn man so ein spielfreudiges Ensemble und mit Florian Minnerop und Benjamin Sommerfeld als Doppelbesetzung für die Titelpartie mit ihren zwei Namen und Seiten gleich zwei wandlungsfähige Musicalprofis zur Verfügung hat. Wer den einen erlebt hat, der darf auch auf den anderen gespannt sein. Aus dem übrigen Ensemble gönnt die Regie auch Marianne Schechtel eine furiose Verwandlung. Am Tage im Habitus eine überkandidelte Lady Beaconsfield, beweist sie nachts als Nellie Format im Rotlicht-Milieu. Bei der Hochzeitsszene denkt man für Momente, dass alles gut wird. Doch plötzlich wirkt die Verwandlung wie ein Anfall und wirft Jekyll zu Boden. Utterson gelingt es nicht, den verlorenen Freund zu erlösen. Der wirft sich mit letzter Kraft selbst in dessen Degen. So geht der Abend als imponierendes Gesamtkunstwerk der makabren Art durchs Ziel.


Musikalische Leitung: Kens Lui • Regie und Choreografie: Cusch Jung • Bühne: Karin Fritz • Kostüme: Sven Bindseil • Chor: Roman David Rothenaicher • Mit: Florian Minnerop/Benjamin Sommerfeld (Dr. Henry Jekyll/Edward Hyde), Anna Langner (Lucy Harris), Sara-Maria Saalmann (Lisa Carew), Cusch Jung (John Utterson), Shin Taniguchi (Sir Danvers Carew), Marianne Schechtel (Lady Beaconsfield/Nellie), Johannes Mooser (Bischof von Basingstoke), Andreas Kalmbach (Lord Savage), Steffen Köllner (Simon Stride/Spider), Matthias Richter (Poole), Silvio Wild (Sir Archibald Proops), Horst Arnold (General Lord Glossop), Tarik Akman (Priester), Sang-Seon Won (Bissett) u.a. • Chor des Staatstheaters Meiningen • Meininger Hofkapelle

Aufmacherfoto: Christina Iberl

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