BOM hi res Lion King Nov 2023 9400 | MUSICAL TODAY

The Book of Mormon

Himmlisch frech und höllisch mitreißend

qi addons for elementor placeholder | MUSICAL TODAY
oRT
Theater 11 Zürich
von
Trey Parker, Robert Lopez und Matt Stone (Buch, Musik und Gesangstexte)
Regie
Casey Nicholaw und Trey Parker
Uraufführung
2011

„The Book of Mormon“ ist ein irrwitziges Musical-Feuerwerk

„The Book of Mormon“, das Erfolgsstück der „South Park“-Macher, gastiert im Theater 11 in Zürich und entfaltet dort seine satirische Strahlkraft. Das Stück bedient zahlreiche Klischees, Vorurteile und Stereotypen und zelebriert das Gegenteil von „Political Correctness“. Mit einer Mischung aus Klamauk, Provokation und Broadway-Magie gelingt es der Tourneeproduktion, das Publikum von der ersten bis zur letzten Minute in Atem zu halten. Wenn man darüber hinwegsehen kann, dass einem das Lachen angesichts der tabulosen und schonungslosen Sprache an der einen oder anderen Stelle im Halse stecken bleibt, besticht die rasante Inszenierung von Casey Nicholaw und Trey Parker durch eine tolle visuelle und musikalische Umsetzung und ein erstklassiges Ensemble.

Scott Pasks Bühne spielt virtuos mit Kontrasten. Während die Szenen in Salt Lake City und in den Traumsequenzen in Disney-Ästhetik erstrahlen, präsentiert sich Afrika real und nahbar in warmen, satten Erdtönen. Durch den Einsatz beweglicher Elemente und raffinierter Bühnenvorhänge gelingen nahtlose Übergänge, die der temporeichen Inszenierung zusätzliche Dynamik verleihen. Überraschende Requisiten unterstreichen immer wieder die ins Absurde übersteigerte Handlung.

Im Ganzen ebenso farbenfroh sind die fantasievollen Kostüme von Ann Roth. Während die Mormonen-Anzüge blass wirken, explodiert das Bild in den verschiedenen Traumszenen förmlich vor Farben und exzentrischen Details. Die Kostüme sind so schrill und überdreht wie das Stück selbst und an Kreativität kaum zu überbieten.

Nicht weniger beeindruckend ist die Choreografie von Casey Nicholaw. Mit atemberaubender Präzision setzt das Ensemble jede Bewegung um, sodass die Szenen wie ein gut geöltes Schweizer Uhrwerk ablaufen. Das tänzerische Spektrum reicht von klassischen Revue-Nummern bis zu Stepptanz-Einlagen, die mit effektvollen Lichtwechseln und überraschenden Kostümwechseln begeistern.

Die schauspielerischen und gesanglichen Leistungen fügen sich nahtlos in dieses Gesamtkunstwerk ein. Adam Bailey glänzt als Elder Price mit strahlendem Tenor und beeindruckender Stimm-Akrobatik, während Sam Glen als nerdiger Elder Cunningham mit unbeholfener Tollpatschigkeit und untrüglichem Sinn für Komik besticht. Nyah Nish als Nabulungi berührt mit ihrer samtigen Stimme und verleiht der Figur eine Tiefe, die im Kontrast zum sonstigen Humor des Stückes steht. Auch Rodney Earl Clarke als furchteinflößend komischer General und die restliche Cast liefern eine durchweg starke Leistung, die sowohl in den temporeichen Dialogen, den Tanznummern als auch in den anspruchsvollen Gruppenszenen in jeder Hinsicht überzeugt.

Ein weiteres Highlight der Inszenierung ist das facettenreiche Lichtdesign von Brian MacDevitt. Von intensiven Rot- und Blautönen über Discokugel-Spektakel bis hin zum romantischen Sternenhimmel spannt sich ein weiter Bogen atmosphärischer Effekte, die die jeweilige Szene perfekt unterstützen.

Die Musik schließlich ist eine gelungene Mischung aus klassischem Broadway-Sound, Rockmusik, satirischen Disney-Anleihen und eingängigen Harmonien. Von hymnischen Powerballaden wie „I Believe“ über freche Ensemble-Nummern bis hin zu rockigen Highlights wie „Spooky Mormon Hell Dream“: Die Melodien sind ein Fest für die Ohren und das Orchester unter der Leitung von Danny Belton sorgt für den perfekten musikalischen Rahmen.

„The Book of Mormon“ zeigt in dieser Produktion, warum es zu den erfolgreichsten Musicals der letzten Jahrzehnte zählt. Es regt aber auch zum Nachdenken an – über Glauben, kulturelle Vorurteile und menschliche Abgründe. So wird auf der Heimfahrt sicher das eine oder andere kritisch hinterfragt und lebhaft diskutiert. Klar ist: Wer sich auf diesen wilden Ritt zwischen Blasphemie und Broadway einlässt, wird mit einem unterhaltsamen Abend belohnt – unkonventionell, ungezügelt und unwiderstehlich.


Music Supervision: Stephen Oremus • Musikalische Leitung: Danny Belton • Choreografie: Casey Nicholaw • Bühne: Scott Pask • Kostüme: Ann Roth • Licht: Brian MacDevitt • Sounddesign: Brian Ronan •  Mit: Will Barratt (Prices Dad/Joseph Smith/Mission President), Tom Bales (Moroni/Elder McKinley), Adam Bailey (Elder Price), Sam Glen (Elder Cunningham), Daniel George-Wright (Cunningham’s Dad), Olympia Curry (Mrs Brown), Hayden Cable (Guard), Kirk Patterson (Mafala Hatimbi), Nyah Nish (Nabulungi), Rodney Earl Clarke (General), Daniel David Griffith (Doctor)

Aufmacherfoto: The Book of Mormon

Spielorte

Archiv